Der Lichtermann

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

144 Seiten

CHF 20.00, EUR 20.00

ISBN: 978-3-85990-147-6


4 Rezensionen

Ein Band kurzer Erzählungen über Gestalten, die man nicht so leicht vergessen wird. Der Lichtermann ist ein Apostel vorweihnächtlicher Beleuchtungsorgien. Das Verlangen nach „mehr Licht“ hat ihn übermannt, hat von ihm und seiner Ehefrau Besitz ergriffen. Die Botschaft des Paares soll ausstrahlen auf die Nachbarschaft. Ihr Einsatz für das gemütlich Schöne kennt keine Grenzen. Ein Verlangen nach unbegrenzter Ausdehnung des Wollens, das sie mit vielen Gestalten in diesem Buch teilen: Mit dem „Beschaller“ zum Beispiel, der die Umwelt mit seinen verhaltenspsychologisch ausgetüftelten Klängen manipulieren möchte. Berufsstolz des Marketingmanagers mischt sich da mit Leuchtfunken schlauer Seelenkenntnis.

Auch der „Rechtschaffer“ ist so ein Fall. Die Wahrung seiner persönlichen Rechte ist ihm zum eigentlichen Lebenszweck geworden. Das Recht-Schaffen betreibt er bis zur Selbstvernichtung. Immer wieder dieses Verlangen nach Vollständigkeit, nach Konsequenz, nach Perfektion, auch nach Licht und Schönheit im dunklen Provinzalltag. Obsessionen, die unvermittelt in hintergründige Komik umschlagen können. Das pedantisch verbohrte Beharren auf einer Sache erinnert an die abgründig sturen Dialoge eines Karl Valentin.

Weingartner unterhält uns nicht mit Pointen und Witzen, sein Humor leuchtet zwischen den Spalten und Ritzen seiner Sprache hervor. Seine Gestalten könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch atmen sie alle ein Gemeinsames, ein mehr oder weniger unmerkliches Abheben ins Irreale. Meist sind es irgendwie beschädigte, vereinsamte Provinzfiguren. Provinz-Neurotiker, oft wahre Virtuosen des Absurden.

Weingartner kritisiert sie nicht, er diffamiert sie nicht, er redet von ihnen in einer Sprache, welche ihre Einsamkeit und Isolation, ihre kleinen Eitelkeiten, ihr Leiden an der Enge auf einzigartige Weise fühlbar macht und aus der, fast unmerklich und leise, immer wieder ein Schmunzeln über die prinzipielle Ausweglosigkeit menschlichen Strebens herausleuchtet. Seine verborgene Gesellschaftskritik ergeht sich nicht in abstrakten Begriffen und soziologischen Analysen, sondern im Erzählen wahrhaftiger Geschichten.

Rezensionen

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Kurze Geschichten mit eigenartigem Charme

Koni Löpfe / P.S. / November 2009

Der Hauswart jätet am Sonntagmorgen, weil diese Arbeit keinen Lärm macht, er die senile Bettflucht und einen Sinn für Ordnung hat. Er geht noch in die Kompostieranlage. Und sonst geschieht nichts. Und dennoch ist die wirklich kurze Geschichte nicht langweilig. Die Dicherin hat ein "Heimet", eine Kuh und unzählige Katzen. Bei der Arbeit fallen ihr Verse ein, die die Chorleiterin vertont. Sie träumt vom Siegeslied bei einer volkstümlichen TV-Veranstaltung, ihre Umgebung hofft auf Pachtland. Herr Anton führt seinen von der Mutter geerbten Hund aus und wird nach ein paar Seiten mit guten Gründen verhaftet. Drei der 17 Kurzgeschichten, die alle einen kurzen Titel haben, von einer Person handeln, die sich bei ihrem konstanten Tun etwas denkt, meistens etwas Naheliegendes. Sozusagen Literatur des Alltags, aber uneigentlich nicht; es sind einfach kurze Geschichten mit einem eigenartigen Charme.

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Geschichten über Eigenbrötler und Querdenker

Hannes Bucher / Neue Luzerner Zeitung / 4.11.09

Sie haben ihn schon immer fasziniert: Schräge Aussenseiter, Eigenbrötler, Aussteiger. Der Trienger Autor Peter Weingartner gibt ihnen ein Gesicht und eine Geschichte.

Hannes Bucher

Der 55-jährige Trienger Peter Weingartner schmunzelt ins Publikum: "Ja, woher nehme ich meine Geschichten?" Eben hat ihm eine Zuhörerin im vollen Saal des Gemeinde- und Kulturzentrums Forum in Triengen diese Frage gestellt - anlässlich der Buchvernissage seines eben erschienenen Buches "Der Lichtermann". Drei Kurzgeschichten daraus hat der Autor und Sekundarlehrer vorgestellt, stimmungsvoll musikalisch unterlegt durch Barbara Schirmer auf dem Hackbrett.

Anstehen wie die Engländer
Vom "Schneegänger" handelt die eine Erzählung. Es ist die Geschichte eines ehemaligen Kantonsangestellten, der ziellos in der Schneelandschaft umherirrt, in dessen Kopf sich Gedanken und Erinnerungen wild jagen: "Engländer müssten sie sein, die Gedanken. Hintereinander anstehen. Oder zumindest nebeneinander meinetwegen", sagt der Schneegänger. Aber das tun sie nicht. Sie steigen unkontrolliert, bitter auch auf. Die Sache mit der Kündigung etwa, die der einstige Vorgesetzte im Finanzamt ihm nahe gelegt hatte, um der Entlassung zuvorzukommen. Aufs Mittagsgüpfi wollte der Schneegänger damals entfliehen, mitten im Winter; im Eigenthal hatten sie ihn dann aufgegriffen. Nicht einmal für eine Vermisstmeldung langte es: "Nein, ihn vermisste niemand, ihn vermisst niemand."

Peter Weingartner erzählte auch die Geschichte "Der Vermuter". Dieser vermutet, die Leute vermuteten, er studiere zu viel. Er, der sein eigenes Hinterfragen hinterfragte; der in ein Kloster eingetreten war, nicht etwa aus Frömmigkeit, sondern der vielen Freiheiten wegen – denn: "Welche Firma verlangt so wenig und offeriert so viel wie die Kirche…". Das Publikum schmunzelt.

Sorgfalt für die Schrägen
Peter Weingartners Geschichten sind nicht bitterernst; sie kommen liebevoll daher. Sie lassen schmunzeln und lächeln - und der Zuhörer mag die schrägen Gestalten, die Einzelgänger, die Querdenker und Schrägen. Der Autor geht sorgfältig mit ihnen um. Und schliesslich seine Antwort auf die Eingangsfrage: Im Leben, im Alltag finde er seine Geschichten. "Solche Leute faszinierten mich schon immer", sagt er. Er hat viele von ihnen aufgesucht in seiner Arbeit als Journalist, welcher der Pädagoge teilzeitig noch nachgeht. Er habe sie porträtiert, ihre Geschichten weitergesponnen, ausgebaut. Und - so sagt er freimütig - vieles auch aus seiner eigenen Gedanken- und Erlebniswelt darin eingebaut.

Prophet gilt etwas
Was verbindet Weingartners Handlungsträger miteinander: "Es sind gewöhnliche Leute - aber alle tragen sie eine unstillbare Sehnsucht in sich nach etwas andrem: einem neuen Weltgesetz, einem Flugzeugstreifen am Himmel, einer unumstösslichen Ordnung, einem ungehörigen Klang", sagte Geri Dillier, Redaktor Hörspiel DRS 1, in seiner Laudatio. "Betont und bewusst" setze der Autor die Sprache ein; die vielen Konjunktiv-Formen als grammatikalische Form der Sehnsucht. "Der Prophet gilt etwas im eigenen Land - dies zeigt der grosse Publikumsaufmarsch", stellte Dillier fest. Der Radio-Mann hat mit dem Autor auch beruflich zu tun. Peter Weingartner hat einige Hörspiele für Radio DRS verfasst, die erfolgreich ausgestrahlt wurden. Seine aktuelle Publikation ist nicht die erste: nebst Theatertexten ist im Jahr 2006 mit "Stühle im Zug" eine Sammlung von Kurztexten in Buchform erschienen.

Der Kauz in uns
Angetan von der Lesung waren die Vernissagebesucher: "Unser Lehrer erzählt auch im Unterricht viele Geschichten", lobte Dario Linske, einer der 1. Sek.-Schüler, welche den Apéro servierten. "Es hat mich beeindruckt, was und wie er es gelesen hat", attestierte Käthy Schmidli aus Winikon, und Kantonsrat Hilmar Gernet - er kennt den Autor von früher aus der Journalistentätigkeit - brachte es auf den Punkt: "Er hört auf die Sprache, dreht und wendet die Wörter. Und er gibt auch dem 'Kauz in uns' ein Gehör."