Die Hinterlassenschaft

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

288 Seiten

CHF 26.00, EUR 26.00

ISBN: 978-3-85990-024-0


1 Rezension

Ein Zufall hatte Walter M. Diggelmann auf den Stoff seines Romans „Die Hinterlassenschaft“ gestossen: Von einem Bekannten erfuhr er, wie man in der Zürichsee-Gemeinde Thalwil nach dem Ungarnaufstand mit der Familie des bekennenden Kommunisten und PdA-Mitglieds Konrad Farner umgesprungen war. Diggelmann ging der Geschichte von Boykott und Verfolgung nach und erkannte sehr bald, dass er es hier mit einem zwar krassen, aber gleichwohl typischen Beispiel dafür zu tun hatte, was politisch Andersdenkende in den Zeiten des Kalten Kriegs zu gewärtigen hatten.

Die Idee für den neuen Roman war geboren: In halb dokumentarischer, halb fiktiver Form sollte aufgezeigt werden, wie die Verfolgungsmuster liefen, wer die Hintermänner der Aktionen waren und aus welchem politischen Umfeld sie stammten. Die These, die antikommunistischen Brandstifter der Gegenwart seien weitgehend identisch mit den faschistischen Brandstiftern der dreissiger Jahre, mag gewagt erscheinen; ganz falsch ist sie nicht. Sie führte dazu, dass Diggelmann sich für seinen Roman einen deutschen Verlag suchen musste und dass er fortan selbst als einer jener Linken galt, die man von bürgerlicher Seite über Jahre hinweg mundtot zu machen versuchte.

Als „Die Hinterlassenschaft“ 1965 erschien, machte das Buch Furore, weil es Zusammenhänge aufdeckte, die es nicht geben durfte. 20 Jahre nach Kriegsende setzte ein Schweizer Autor sich erstmals in erzählender Form mit der „unbewältigten Vergangenheit“ des Landes auseinander und warf zugleich ein scharfes Licht auf eine Gegenwart, deren Aufarbeitung bis heute nicht abgeschlossen ist. Obwohl ein Roman, ist „Die Hinterlassenschaft“ damit ihrerseits zu einem wichtigen Dokument schweizerischer Zeitgeschichte geworden, dessen erneute Lektüre spannende Einblicke in die ideologisch-politischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts gewährt.

Mit einer Einführung des Historikers Hans Ulrich Jost zum Thema „Die Schweiz im Kalten Krieg“ und einem Nachwort zur Rezeptionsgeschichte des Romans „Die Hinterlassenschaft“ von Bernhard Wenger.

Werkausgabe

Band 1 bis 6 von Walter Matthias Diggelmanns Werkausgabe sind auch im Schuber erhältlich:

Der Preis: Fr. 120.-, Euro 120.-
Die Bestellnummer: ISBN 978-3-85990-031-8

Rezensionen

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Spannende Reise in die eigene Vergangenheit

Roman Schürmann, Zuger Presse / 6.1.04

Wer auf die dunklen Seiten der Gesellschaft weist, darf nicht auf Liebe, Anerkennung und Respekt dieser Gesellschaft hoffen. Für Walter Matthias Diggelmann war aber zeit seines Lebens klar, dass er trotzdem genau über diese dunklen Seiten schreiben musste. Er verstand sich als Chronist, der die Macht der vehement auftretenden Rechtgläubigen dokumentierte - diese Parteigänger der unhinterfragbaren Wahrheit wollte er durch seine Zeugenschaft zumindest aus ihrer selbstzufriedenen Behäbigkeit rütteln.

Als Diggelmann erfuhr, wie nach dem Ungarn-Aufstand 1956 der Marxist Konrad Fahmer mitsamt seiner Familie in Thalwil Opfer einer rücksichtslosen Hetzkampagne wurde, schrieb er den halbdokumentarischen Roman "Die Hinterlassenschaft" (1965). Er verknüpfte die Haltung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg mit den Geschehnissen in Thalwil: Nachdem die Eltern des jungen David im Konzentrationslager den Tod fanden, weil sie kein Einreisevisum in die Schweiz erhalten hatten, entdeckt David bei Recherchen, dass die von den Nazis inspirierten Fröntler in den 30er-Jahren dieselben sind, die jetzt als Kalte Krieger rigoros gegen alle Andersdenkenden vorgehen.

Diggelmann war einer derErsten, der sich mit der jüngsten helvetischen Vergangenheit auseinandersetzte - auf eine literarisch spannende Art und Weise. "Die Hinterlassenschaft" gehört zu den wichtigsten hiesigen Romanen des letzten Jahrhunderts.