Formierter Widerstand

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

848 Seiten

CHF 30.00, EUR 30.00

ISBN: 978-3-85990-123-0


5 Rezensionen

André Rauber hat mit viel Akribie Fakten und Daten zur kommunistischen Bewegung der Schweiz zusammengetragen und daraus eine interessante, umfassende Dokumentation verfasst. Das umfangreiche Werk erschien erstmals in französischer Sprache beim Slatkin-Verlag, Genf. Auf diesen zwei Bänden gründet die deutsche Version, die mit zahlreichen Bildern, Tabellen, und Grafiken illustriert und mit über 200 Kurzbiografien versehen ist.

Gleichzeitig wurde diese Ausgabe auf den neuesten Stand der Forschung gebracht. Etliche Archive waren erst nach 1991 zugänglich – ein Jahr, das mit dem definitiven Fall des Ostblocks das Ende des Kalten Krieges und damit eine Zäsur brachte, die eine neue Sicht auf die Geschichte ermöglichte. Das neu entdeckte Material förderte denn auch in vielen Fragen – insbesondere zu den Auseinandersetzungen innerhalb der Arbeiterbewegung – neue Fakten und Interpretationen zu Tage.

Die schweizerische Arbeiterbewegung erlebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Persönlichkeiten wie Lenin, Fritz Platten, Willi Münzenberg, „Joggi“ Herzog spielten darin eine massgebliche Rolle, der Generalstreik von 1918, die Spaltung in Kommunisten und Sozialisten (1921), der Konflikt mit der Komintern (Sozialfaschismusthese), die Solidarität mit dem republikanischen Spanien (1936) und andere umwälzende Ereignisse und Kämpfe prägten ihre Geschichte. Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist denn auch sehr gut aufgearbeitet.

Die Zeit danach wurde zumindest in der deutschsprachigen Schweiz stiefmütterlich behandelt. Während des Kalten Kriegs verloren die kommunistischen Parteien und Organisationen zunehmend an Bedeutung und gingen vermehrt Bündnisse ein. Abgelöst wurden sie von den linksoppositionellen Bewegungen, die sich im Gefolge der 68er-Unruhen und später wieder in den 80er-Jahren bildeten. Sie fassten – anders als die klassische Arbeiterbewegung – in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten Fuss und widmeten sich einem breiten Spektrum an Themen, von Atomkraftwerken und Umweltschutz über die Dritte Welt bis hin zu Frauen-, Menschen- und Minderheitenrechten.

Rezensionen

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Lesenswertes Buch

S / Schweizerzeit (!) / 23.3.04

Eine eigenartige - streckenweise zweifellos sehr interessante - "Innenansicht" zur kommunistischen Bewegung in der Schweiz von 1944 bis 1991 präsentiert der Alt-Kommunist André Rauber.

André Rauber, langjähriger Chefredaktor der "Voix ouvrière", kann Informationen über viele, dem breiten Publikum bisher verborgen gebliebene Auseinandersetzungen innerhalb der kommunistischen Bewegung der Schweiz während des Kalten Krieges weitergeben. Dieses Insider-Wissen zu Vorgängen z. B. während des Berliner Arbeiteraufstands 1953, rund um den Ungarischen Aufstand von 1956, während des Prager Frühlings 1968 usw. sind - allein ihres Informationsgehaltes wegen - sehr lesenswert. Sie wiegen die völlig ungeniessbare, penetrant belehrende Verbreitung altkommunistischer Dogmen, welche allzu viele Seiten dieses Buches füllt, auf. Vieles, was bisher zur Geschichte der Schweizer Kommunisten nur vermutet wurde, wird in diesem Buch bestätigt. Zusätzlich wird - besonders interessant - viel bisher Unbekanntes zutage gefördert. Man erfährt insbesondere neue Einzelheiten zu den Rollen, die führende Schweizer Kommunisten national und international damals gespielt haben - insbesondere auch gegenüber der Sowjetunion und im Schosse des Weltkommunismus. Eine Frage bleibt allerdings auch in diesem Buch tabu: Die Finanzierung der Schweizer Kommunisten durch Moskau. Da bleibt Aufklärungsbedarf zurück.

Das Buch ist ein nicht leicht lesbarer Wälzer. Weil es vieles offenlegt, was bisher bloss ungenau oder gar nicht bekannt war, ist es lesenswert.

S

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Zwischen Sichel und Hammer

Thomas Knellwolf / Tagesanzeiger / 23.11.03

André Rauber zeichnet die Geschichte der Schweizer Kommunisten nach. Trotz seiner Nähe zur Partei der Arbeit ist seine Studie lesenswert.

Von Thomas Knellwolf

Als André Rauber sein Buch bei der Zürcher PdA-Sektion vorstellte, ergriff ein Gast aus Süddeutschland das Wort. Er gratulierte dem Genfer Autor zu dessen "Geschichte der kommunistischen Bewegung in der Schweiz 1944?1991" und ergänzte: "Liebe Genossen, in Deutschland sind wir leider noch nicht so weit. Insbesondere wie es zur Konterrevolution von 1989/1991 kam, müssen wir noch aufarbeiten."

An der Beurteilung der Umwälzungen Ende der 90er-Jahre aus dem Mund des ewiggestrigen Zuhörers gäbe es einiges zu mäkeln, seinem Lob kann man sich indessen nur anschliessen. Der ehemalige PdA-Aktivist André Rauber arbeitet die Geschichte des Kommunismus in der Schweiz auf - durchaus kritisch und vor allem ausführlich auf über 800 Seiten. Entgegen der Ankündigung im Titel, die sich auf die Jahre 1944-1991 beschränkt, ist der erste Teil des Buchs der 1921 gegründeten Kommunistischen Partei der Schweiz gewidmet. Rauber zeichnet ein differenziertes Bild des schweizerischen Kommunismus bis zum Zweiten Weltkrieg. Er zeigt eine Partei, die trotz Kritik aus den Reihen ihrer politischen Gegner Stalins Kurs weit gehend befolgte. Die öffentliche Bekämpfung der Kommunisten gipfelte 1940 im Verbot der KPS durch den Bundesrat.

"Helvetischer McCarthyismus"

Die PdA, ein Zusammenschluss aus im Untergrund operierenden kommunistischen Splitterparteien, setzte ab 1944 die Gratwanderung der KPS fort. Ihre Postulate aus der Gründungszeit - vier Wochen Ferien für Arbeitnehmer, Schulpflicht bis zum 15. Altersjahr oder eine angemessene Altertvorsorge, die damals als "revolutionär" galten - gehören heute zu allgemein anerkannten Rechten.

Mit der Niederschrift der Geschichte der PdA, die vor drei Jahren auf Französisch erschien, betrat Rauber Neuland. Als ehemaliger Chefredaktor der parteinahen Zeitung "Voix Ouvrière" von 1982 bis 1988 konnte er als Erster das Parteiarchiv durchforsten. Dort und im Bundesarchiv stiess er auf Dokumente, die zeigen, wie sehr die PdA überwacht und zum Teil schikaniert worden war.

In der Zeit ihres frühen Erfolges unmittelbar nach dem Krieg, als fünf Prozent der Wähler PdA-Listen einlegten und die Mitgliederzahl auf 20'000 stieg, setzte die Diffamierung als "Partei des Auslands" ein: Überwachungsmassnahmen der Behörden und juristische Fallstricke gegen Exponenten der Partei. In einer "Phobie der Unterwanderung", wie Rauber es nennt, wurde beispielsweise der Basler PdA-Nationalrat Emil Arnold zu acht Monaten unbedingter Haft verurteilt, weil er Im Ostblock die schweizerische Neutralität kritisiert hatte. Raubers Urteil vom "schweizerischen McCarthyismus" scheint nicht absurd angesichts der Repressionen, welche PdA-Mitglieder in Bildungs- und Beamtenberufen ausgesetzt waren.

Den Siedepunkt erreichte der helvetische Antikommunimus, den Rauber minuziös nachzeichnet, 1956, als nach der sowjetischen Niederschlagung des Aufstands in Ungarn sich - wie es der Autor in unglücklicher Wortwahl nennt - "regelrechte Pogrome gegen die PdA und ihre Anhänger" ereignet hätten. Mit den Belästigungen, Beschimpfungen und Boykottandrohungen - etwa gegen den Thalwiler Kommunisten Konrad Farner - setzte der Niedergang der PdA ein. Die Wähler wandten sich ab; die Jugendbewegung der 60er-Jahre liebäugelte zwar mit dem Kommunismus, doch war die PdA einem Grossteil der Studentenbewegung zu sehr am Sowjetsystem orientiert.

Eine Distanzierung der PdA vom real existierenden Sozialismus fand ansatzweise, aber nie vollständig statt. André Rauber ist der Ansicht, dass der vehemente Antikommunismus und die Isolierung in der Schweiz die Partei verstärkt dazu gebracht hätten, sich der von Moskau gesteuerten Internationale der Kommunisten zuzuwenden. Seine These erklärt zwar, entschuldigt aber keinesfalls die linke Verharmlosung der Ereignisse jenseits des Eisernen Vorhangs. Auch Raubers Studie ist nicht frei von Verharmlosung - etwa wenn der Autor schreibt, dass die UdSSR keine Angriffe auf Westeuropa ausgearbeitet habe. Zudem merkt man, dass der Autor in der Partei als Ausbildner wirkte: Sein Tonfall ist belehrend.

Rollte der Rubel?

André Rauber, der sich vor dem Fall der Mauer aus der Partei zurückzog, schrieb sein Werk in der Sahelzone. Dorthin hatte er seine Frau, eine Entwicklungshelferin, Ende der 80er-Jahre begleitet. Die Distanz zur PdA, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in der Deutschschweiz fast vollständig verschwand, tat seinem Buch gut. Doch Raubers Loyalität zur Partei ist in einem Punkt nach wie vor gross. Entgegen seinem aufklärerischen Ansatz mag er das letzte Geheimnis der PdA nicht lüften. Zwar gibt er zu, dass die parteinahe Presse finanzielle Unterstützung aus der UdSSR erhielt, schweigt sich aber aus über das Ausmass, in welchem der Rubel rollte.

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Die aufregend andere Geschichte

Roman Schürmann / Zuger Presse / 16.9.03

Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Ungarn 19565 erreichte die Hetze gegen alles, was irgendwie kommunistisch gefärbt schien, in der Schweiz ihren Höhepunkt. "Wir wollen und können unser Dorf von diesem Totengräber der Freiheit säubern", schrieben aufgebrachte Thalwiler Bürger über Konrad Farner, Schriftsteller, Historiker und Mitglied der Partei der Arbeit. Die helvetische Wahrnehmung der Welt war nicht diskutierbar: Was links von der Sozialdemokratie liegt, ist des Teufels.

Mehr als ein Jahrzehnt nach dem so genannten real existierenden Sozialismus lässt sich mit etwas mehr Leichtigkeit über die schweizerische Wahrnehmung des Kalten Krieges nachdenken. André Rauber, selbst lange Parteimitglied, hat eine erste vollständige Aufarbeitung der Geschichte der kommunistischen Bewegungen auf Französisch vorgelegt. Deren zweiter Teil ab 1944 ist jetzt auch auf Deutsch zu lesen.

Rauber ist kein Historiker. Aber er hat gewissenhaft alles verfügbare Material zusammengetragen und weiss lebendig zu erzählen. Interessant sind nicht nur die Kapitel zur eigentlichen Parteigeschichte, sondern auch die aus sehr linker Perspektive geschilderten Zusammenfassungen der letzten fünfzig Jahre Welt- und Schweizer Geschichte - unabhängig davon, ob die Leserin die politische Einstellung teilt. Ein Blick von einer bisher oft ignorierten Seite auf die eigene Vergangenheit kann sehr wohl aufregend sein.

Roman Schürmann

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Geschichte der KommunistInnen in der Schweiz 1944-1991

Peter Staub / VHTL-Zeitung

Auch in den hiesigen Gewerkschaften haben KommunistInnen wichtige Rollen gespielt. Ein neues Buch gibt Auskunft über die Geschichte der kommunistischen Bewegung in der Schweiz.

Peter Staub

Der langjährige PdA-Aktivist André Rauber hat eine Fülle von Daten zur kommunistischen Bewegung der Schweiz zusammengetragen und daraus eine umfangreiche Dokumentation verfasst. Die deutschsprachige Ausgabe, das Buch erschien zuerst in Genf, wurde auf den neuesten Stand der Forschung gebracht, da etliche Archive erst nach 1991 zugänglich waren.

Lücke geschlossen

Die ArbeiterInnenbewegung in der Schweiz erlebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Persönlichkeiten wie Lenin, Fritz Platten oder Willi Münzenberg spielten darin wichtige Rollen. Der Generalstreik von 1918, die Spaltung in KommunistInnen und SozialistInnen, der Konflikt mit der Komintern oder die Solidarität mit dem republikanischen Spanien (1936) prägten ihre Geschichte. Die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist gut aufgearbeitet. Für die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts schliesst Raubers Werk die Lücke.

Aufs Abstellgleis

Für GewerkschafterInnenn besonders interessant sind Raubers Schilderungen über die Ausschlüsse von kommunistischen KollegInnen Mitte der 50er-Jahre. Sogar in Genf, wo die KommunistInnen innerhalb der Gewerkschaften sehr gut vertreten waren, wurden kommunistische Sekretäre aus innenpolitischen Gründen, die SP wollte den zweiten Bundesratssitz, aufs Abstellgleis geschoben.

Ein weiteres trauriges Kapitel ist die Geschichte, wie viele italienischen KommunistInnen, die als EmigrantInnen in der Schweiz arbeiteten, nach der Wirtschaftskrise in den 70er-Jahren als Erste wieder in ihre Heimat abgeschoben wurden. Erst mit dem Auffliegen der Fichenaffäre anfangs der 90er-Jahre, konnte nachgewiesen werden, dass der Staatsschutz schon lange widerrechtlich Karteien über Oppositionelle angelegt hatte, was die Schnüffler bereits in den 70er-Jahren befähigt hatte, gezielt kommunistischen EmigrantInnen auszuweisen.

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Aus dem Innenleben der PdA

Urs Rauber / NZZ am Sonntag / 25.5.03

Eine neue Untersuchung zeigt,dass die kommunistische Parteipresse jahrzehntelang durch versteckte Drittmittel finanziert wurde -etwa über einen von Moskau gespiesenen "Gewerkschaftsfonds".

Von Urs Rauber

Die erste Geschichte der Partei der Arbeit (PdA)liegt nun auf Deutsch vor - in erdrückender Ausführlichkeit. Verfasst von einem langjährigen Aktivisten, in einer Mischung aus erstaunlicher Offenheit und unerträglicher Belehrungssucht. André Rauber, 62, war seit 1970 Redaktor und ab 1982 Chefredaktor der PdA-Zeitung "Voix Ouvrière" in Genf, sass viele Jahre im Zentralkomitee und im Politbüro der Partei. 1988 verliess er die Zeitung wegen "interner Spannungen" und gesundheitlicher Probleme und begleitete seine Frau nach Mali, Niger und Madagaskar, wo sie im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojektes tätig war. Unter der Sonne Afrikas verfasste Rauber, unterbrochen von mehreren Forschungsaufenthalten in der Schweiz, die vorliegende Studie, die zuerst in zwei Bänden 1997 und 2000 im Genfer Verlag Slatkine erschien. Es ist die Geschichte einer Partei, die auf ihrem Höhepunkt 1947 rund 20'000 Mitglieder zählte und bei den Nationalratswahlen 7 Sitze errang (5 Prozent der Wählerstimmen).

Akribisch und dozierend
Trotz ihrem langsamen Niedergang war die PdA bis zum Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems 1989/90 in den kantonalen Parlamenten von Zürich, Basel-Stadt, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf vertreten. In den neunziger Jahren verschwand sie aus den Legislativen der Deutschschweiz und des Tessins, während sie in der Romandie mit der Erringung eines Wähleranteils zwischen 5 und 17 Prozent wieder einen leichten Aufschwung erlebte.

Für Leser, die sich weniger für die linksideologisch getränkte Interpretation des Weltgeschehens als für den Weg der PdA interessieren, empfiehlt es sich, die langfädig dozierenden Ein- und Ausführungen zur internationalen und Schweizer Geschichte, die den sieben Hauptkapiteln vorangehen, zu überspringen. So bleiben immer noch 50 Prozent Textmasse, in denen neben einigem Unwesentlichem und manchen Wiederholungen viel Neues zu erfahren ist. Die reiche Fülle akribisch zusammengetragener Fakten und die farbig gezeichneten Personenporträts geben einen tiefen Einblick in die innere und äussere Entwicklung der PdA - von ihrer Gründung 1944 bis zu ihren grossen Krisen der achtziger Jahre.

Aufschlussreich und selbst für Kenner der PdA-Geschichte neu sind die selbstkritisch geschilderten Konflikte zwischen einzelnen Exponenten und innerhalb der Sektionen. So die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Sowjet-Anhängern und Freunden der in den osteuropäischen Schauprozessen verurteilten Genossen Noël Field und Artur London in den Jahren 1949 bis 1952; ein Kampf, der in der PdA - im Unterschied zu den meisten europäischen KP - erstaunlicherweise zu Gunsten der "Abweichler" um Edgar Woog und Jean Vincent entschieden wurde.

Generalsekretär in Not
Erstmals wird auch die persönliche Krise des aus einer jüdischen Familie stammenden Generalsekretärs Edgar Woog anlässlich des Sechstagekrieges im Jahr 1967 beleuchtet. Woog war von der kritiklosen Unterstützung der UdSSR für den Kurs Nassers derart schockiert, dass er sich innerhalb der Partei und in der Parteispitze isolierte. Er geriet in eine persönliche Krise und legte ein Jahr später sein Amt als Generalsekretär nieder.

Raubers Report gerinnt dort zur Milieustudie, wo er die PdA-Politik personifiziert, eigene Reminiszenzen einflicht und die führenden Köpfe mit kräftigen Pinselstrichen zeichnet. Ein politischer Diskurs entpuppt sich so als persönliche Abrechnung, ein Programmstreit als Machtkampf unter rivalisierenden Protagonisten. Ohne die Berücksichtigung solch subjektiver Faktoren wäre zum Beispiel das kurzzeitige Bündnis zwischen Gottlieb Duttweilers LdU und Léon Nicoles PdA in der Zeit von 1943 bis 1945 kaum zu erklären.

Ähnliches gilt für das Handeln der Beteiligten bei den fünf Austrittswellen aus der PdA zwischen 1980 (Austritt der Waadtländer Aktivisten um Anne-Catherine Ménétrey, die heutige grüne Nationalrätin) und 1988 (Ausschluss der Basler Sektion um Hansjörg Hofer). Konflikte übrigens, die bisher noch nirgends so kenntnisreich im Zusammenhang beschrieben wurden.

Mehrfach kommt Rauber auf die Finanzierung der PdA durch die KPdSU zu sprechen - allerdings ohne dieses letzte grosse Geheimnis der PdA zu lüften. Während die finanzielle Unterstützung der PdA-Vorgängerin KPS durch die Komintern bereits durch die Arbeiten der Berner Historiker Peter Stettler und Brigitte Studer belegt ist, sind die späteren Finanzflüsse noch weitgehend unerforscht. Gestützt auf französische Literatur, berichtet der Autor, dass die Finanzierung aus Moskau ab 1947 "bis zum Fall der UdSSR" über den "Internationalen Gewerkschaftsfonds zur Unterstützung linker Arbeiterorganisationen beim rumänischen Gewerkschaftsrat" abgewickelt worden sei - über das Land also, in dem die Kominform, die Nachfolgeorganisation der Komintern, ihren Sitz hatte.

Noch in den achtziger Jahren bestritt PdA-Generalsekretär Armand Magnin vehement die Aussagen des abgesprungenen sowjetischen Diplomaten Nicolay Polianski, wonach die PdA jährlich gegen 300 000 Franken Unterstützung aus Moskau erhalten habe.

Leiche im Keller
Der Verfasser, der seine eigenen Irrtümer nicht ausspart und heute nicht mehr Mitglied der PdA ist, kommentiert dieses Dementi nicht, macht jedoch auf die "grossen Geldbeträge in Form von speziellen Spenden" aufmerksam, die jedes Jahr in die Rechnung der PdA-Zeitungen eingeflossen seien. Seltsamerweise hätten sich die Parteidelegierten nie nach der Herkunft dieser Gelder erkundigt, die immerhin einen Drittel des Jahresbudgets ausgemacht hätten. "Man vermutete, dass sich irgendwo im Keller eine Leiche befand, doch man wollte sie weder finden noch danach fragen." Dass der Verfasser selbst die volle Wahrheit nicht auf den Tisch legen will oder kann, ist allerdings wenig überzeugend.

Wertvoll sind die rund 200 Kurzbiographien von Aktivisten der kommunistischen Bewegung, die Tabellen über die Zusammensetzung der PdA-Führungsorgane von 1944 bis 1991, die Grafiken zur Entwicklung des Wähleranteils auf Bundes- und Kantonsebene, die umfassende Bibliographie sowie das minuziöse Personenregister, das das Aufsuchen personenbezogener Angaben erleichtert. Dass das robuste Faktenbuch auch ein paar Druckfehler, fehlerhafte Namensschreibweisen und holprige Übersetzungspassagen enthält, ist beim Umfang eines solchen Werkes wohl unvermeidlich.