Salto wortale

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

191 Seiten

CHF 26.00, EUR 26.00

ISBN: 978-3-85990-110-0


6 Rezensionen

Nach dem Erfolg der ersten Auflage von „Salto wortale“ hat Brigitte Fuchs für diese Ausgabe ihre Sammlung von sprachlichen Kapriolen nochmals kritisch durchgesehen, einige wenige Texte weggelassen und dafür den Band mit vielen Sprachspielereien, die in der Zwischenzeit entstanden sind, angereichert.

Diese Salti und Lockerungsübungen aus der Arena einer Sprachkünstlerin zeigen auf fröhliche und mitreissende Weise, wie vielfältig sich Sprache einsetzen lässt, wie fantasievoll, verblüffend und unerschöpflich unser alltägliches Medium sein kann. Da gibt es Merksätze, Collagen, Farbworträtsel, Parabeln, Dramolette, Anagramme, Palindrome, Vokal- und Lückentexte, Slogans, Fusionen, Rund- und Zaubersprüche, visuelle Texte, Reime, Zitate… Da lädt uns Brigitte Fuchs zum Staunen, Hinterfragen, Rätseln und Querdenken ein, lässt uns den Hintersinn scheinbar unsinniger Texte entdecken.

Ergänzt und abgerundet werden ihre Kapriolen durch die Farbbild-Seiten des Grafikers und Künstlers Beat Hofer. In seinen eigenständigen Kompositionen spielt auch er gekonnt mit Wort und Form, mit Erwartung und Überraschung und gibt dem Band damit zusätzlichen Schwung. Ein vergnügliches, anregendes und bekömmliches Blätterbuch für Sprachfans.

Rezensionen

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Rede an der Vernissage

Verena Stettler / Edition 8 / 1.6.06

Liebe Anwesende

Am besten sag ich's gleich: Etwas Abschliessendes, Zusammenfassendes, Gesichertes, was man dann getrost nach Hause tragen kann, werden Sie von mir zum "Salto wortale" von Brigitte Fuchs nicht zu hören bekommen, meine Aufgabe hier ist zum Glück etwas Eröffnendes zu sagen, etwas Anregendes, vielleicht gar Verführerisches - und dies entspricht dem Charakter des Werkes viel eher. Mit ihren sprachlichen Kapriolen lockt Brigitte Fuchs uns nämlich hinaus aufs weite Feld eines sprachlichen Tummelplatzes mit Spiegelgärten, Labyrinthen, Zauberkünstlern, Karussells, Geisterbahnen, Trampolins, schiefen Ebenen, trickreichen Hindernisbahnen und vielen Fahrten ins Bodenlose, alles versüsst mit Zuckermandeln und andern Bonbons. Kurz: nichts Festes, kaum Reelles, vieles, was Halt verspricht und dann nicht hält, der Schwindel und Kitzel, das anschliessende Gelächter sind das eigentliche Ziel.

Wie kommt denn eine Lyrikerin, deren Werke bisher bestimmt nicht unter U-Literatur eingereiht wurden, dazu, sich über Monate, sogar Jahre mit so was Leichtfertigem wie Sprachspielereien zu befassen? Die Antwort ist einfach: Weil es zu ihrem Metier gehört, weil der Unernst eine Grundbedingung der Sprache ist. Weil der Unterschied zwischen ihrer Lyrik und ihren Sprachspielereien nicht fundamental, sondern nur eine Frage der Gewichtung, der Stimmung und der Ausrichtung ist.

Hören wir sie, um dies zu verdeutlichen, im E-Ton (Aus: Solange ihr Knie wippt):

"das Wort / auf der Zunge legt sich der Länge nach / wie ich es bette da ist ein Leben beinah / zur Hand da ist ein Lied fast schon / gesungen (denkst du) ach was da ist ein / Wort nichts als ein Wort und ein Gedicht / fast schon eine Notlüge meingott"

Wohl seit es Sprache und Dichtung gibt, gibt es auch diese Zwiespältigkeit dem Wort gegenüber. Das Wort, das einerseits magisch empfunden wird, das Welten oder biblisch gesehen sogar DIE WELT erschafft - man denke an den berühmten Anfang des Johannes-Evangeliums: "Im Anfang war das Wort" -, und andererseits das Wort, das eben gerade nicht die Realität ist, das bestenfalls die Wirklichkeit spiegeln kann, schlimmstenfalls aber nur leeres Gerede oder gar Lüge bedeutet,

Wissenschaftlich, linguistisch gesehen kommt diese Doppelbödigkeit der Sprache daher, dass sie ein System ist, das auf etwas anderes verweist, und dass die Beziehung zwischen dem Wort und seiner Bedeutung willkürlich festgelegt und weder zweifelsfrei noch umfassend ist. Man denke nur an die Heerscharen von Juristen, die davon leben, feste Pflöcke in dieses sumpfige Terrain einzuschlagen und unmissverständliche Formulierungen zu finden respektive diese an ihre Interessen anzupassen und umzubiegen. Man denke an die Vielfalt von Missverständnissen, Lügen, Verdrehungen und Verleumdungen, die uns das Leben schwer machen. Die Sprache lässt uns oft hängen: Sie ist gemessen an ihrem Stellenwert im sozialen Leben eine sehr unzuverlässige Partnerin, bietet keine Garantien und wäre eigentlich wenig kreditwürdig.

Je nach Temperament gibt es darauf verschiedene Reaktionen: Man kann philosophische Werke schreiben, man kann wortreich beklagen, dass Worte fehlen, um das Gemeinte auszudrücken - es gibt ja in der Literatur einen Unsagbarkeitstopos - , man kann wie gesagt JuristIn werden oder man kann die Ungewissheit kreativ nutzen. Brigitte Fuchs hat - das versteht sich von selbst - das Letzte gewählt.

Weil ja die Sprache grundsätzlich immer im Fluss ist und über Bilder und übertragene Bedeutungen neues Terrain erschliesst, dafür anderes aufgibt und es nur noch spurenweise, gleichsam an Fossilien, erkennen lässt, weil ja Worte nicht einfach eins zu eins zu verstehen sind, genau dadurch gewinnen sie einen Reichtum, eine Vielfalt an Sinn, an Möglichkeiten zur Vernetzung, die einer Sprachartistin wie Brigitte Fuchs eine reiche Palette für ihre Kunst bieten. Wenn sie wie im Gedichtband "Solange ihr Knie wippt" im E-Ton in ihrer Lyrik die Brüchigkeit der Sprache bewusst macht und gewandt und subtil über die Bedeutungen surft, lässt sie ein irritierendes Gefühl der Bodenlosigkeit, eines Schwebezustands nicht ohne Zauber entstehen. Im "Salto wortale" hingegen geht sie offen mit Ironie ans Werk, bricht Wörter und Wendungen auf, lässt sie funkeln und verschafft uns das Vergnügen eines witzigen, abwechslungsreichen Feuerwerks voller Überraschungen und Nonsens.

Was macht sie eigentlich genau? Schauen wir einmal in ihre Trickkiste. Grundsätzlich spielt sie damit, dass eben der materielle Teil der Sprache, die Laute, die wir produzieren, der Wortkörper sich von der Wortbedeutung ablösen lässt. Nun kann sie diese Lautfolge unter die Lupe nehmen und z. B. andere Wörter drin entdecken, die ihren Schatten auf den ersten Begriff werfen: Im renommierten "Autor" ist taucht so plötzlich der einfache "Tor" auf. Au-Tor. Oder zwei Lautfolgen werden kombiniert und ergänzen sich zu einem neuen Wort mit schillernder Bedeutung: Was für ein Zustand ist die "Bundesratlosigkeit"? Fehlt ein Magistrat oder ist bundesweit guter Rat teuer? Oder ist es gar typisch für Bundesräte wie der Ochs am Berg zu stehen? Die Antwort bleibt Ihnen überlassen.

Klassische Formen des Spiels mit den Lauten gehören selbstverständlich auch dazu: Da werden ganze Sätze als Palindrome dem Gesetz der Symmetrie unterworfen oder die Buchstaben einer Wendung durchgeschüttelt und neu kombiniert in zahllosen Anagrammen. Raten Sie, wie viele Varianten Brigitte Fuchs zu so einem einfachen Wort wie "Schreibende" findet. Mindestens 17: von "Erdscheibe" bis "ich der Besen" .

Auch im optischen Bereich zieht sie alle Register : Den materiellen Teil des Textes, den wir als Lesende wahrnehmen, das Schriftbild nimmt sie - ganz in der Tradition des Dadaismus und der konkreten Poesie - als eigenständig zur Kenntnis: Sie lässt die Textgestalt für sich selber sprechen und imitierend oder karikierend ein eigenes Element zum Inhalt beitragen. Anstatt nun die Typographie als blosses Vehikel für geistige Vorstellungen zu benutzen, bleiben wir an ihrer Figur auf dem Papier hängen und machen uns Gedanken über Kongruenz oder Inkongruenz, kommen so vielleicht zu völlig anderen Aussagen. Besonders virtuos nutzt die Autorin diese Reibungsfläche in den Farbrätseln, wo einmal nicht die Wörter auf die Realität verweisen, sondern umgekehrt die realen Farben auf deren sprachliche Fassung. Was ergibt ein rosa Quadrat kombiniert mit dem seltsamen Wort P-ISCH? Richtig: PROSAISCH.

Und damit nicht genug: Zusätzliches Gewicht erhält das Optische durch den Beitrag eines andern Artisten, des Grafikers Beat Hofer, der genau den umgekehrten Weg geht: In Collagentechnik fügt er Textelemente in seine Bilder ein, die eine eigentümliche Spannung ergeben. Da ist der Kontrast zwischen den oft wuchtigen, soliden Lettern und den dynamischen Pinselstrichen des Gemalten, da steht Feineres, von Hand Geschriebenes mittendrin, das auf etwas anderes, nicht Sichtbares verweist: Wörter wie "sowie" , "z.B. heute", - ohne Erklärung, ohne Hinweis, was denn genau gemeint ist; da hat das Gemalte selber die Qualität einer optischen Täuschung, eines Vexierbildes, das man ganz verschieden lesen kann, wo man zwischen Oberfläche und Tiefe hin- und hergerissen ist, wo ein Klecks je nach Blickwinkel ein Klecks oder aber auch eine Figur sein kann. Beat Hofers Bilder eröffnen einen geheimnisvollen Raum der Deutungen, irrlichternde Sinnverschiebungen, welche auf ihre Art den Texten von Brigitte Fuchs Antwort geben und sie um eine Dimension bereichern.

Das Repertoire der Schriftstellerin im spielerischen Bereich ist aber mit Variationen zum Wort und seiner Bedeutung noch lange nicht erschöpft: Im Inhaltsverzeichnis sehen Sie, dass die verschiedenen Typen von Sprachkapriolen nicht weniger als 32 Begriffe umfassen: Das geht von Anagrammen über Collagen, Parabeln, Rundsprüche, Schnellsprechsätze bis zu Zaubersprüchen und Zitaten.

Ein letztes Wort zu den Zitaten. Zitate sind an und für sich schon Spielbälle der Sprache, da man sie aus ihrem Kontext, ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund herausgenommen hat und neu kombiniert. Dieser Kontext spielt natürlich beim Verständnis mit und hat seinen eigenen Stellenwert. Wenn wir z.B. ein Schillerzitat verwenden, verbinden wir das sicher mit Klassik, einer gehobenen Sprache, einer traditionellen Handhabung des Versmasses und nebenbei ordnen wir uns sowohl beim Zitieren als auch beim Wiedererkennen den gebildeten Kreisen zu. Wenn das nicht zum Verballhornen reizt! Seit eh und je schreit der heilige Ernst, der feierliche Rahmen eines Kulturkanons geradezu nach der Auflockerung durch Persiflage und witzige Brechung. Brigitte Fuchs macht da keine Ausnahme. Wie sie aber ihren Schiller und Novalis umformt, ist ein Vergnügen für sich.

Und das soll das Stichwort sein: Genug der langen Erklärungen und ernsthaften Interpretationen. In allererster Linie geht es hier ums Vergnügen, um die Lust an der Sprache und ihrem unerschöpflichen Reichtum. Treten Sie also auf das Spiel ein, ergötzen Sie sich an den sprachlichen Kapriolen und lassen Sie sich die Sprachbonbons für Schleckmäuler schmecken.

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Der Poesie das Du anbieten

St. Galler Tagblatt / 7.7.06

Wer einen Salto macht, springt von beiden Füssen und landet auf beiden Füssen – dass sie zwischendurch die ganze Runde durch die Luft drehen ist ein Umweg. Scheinbar. Was Brigitte Fuchs in ihrem Band «Salto Wortale» vorführt, sind Kunststücke, die stets Umwege beschreiten, dabei aber zu einem Gewinn führen wollen. Manchmal ist dies nur der Lustgewinn der Autorin, die fröhlich Novalis veräppelt oder unsinnige Sinnsprüche erfindet. Manchmal ist es ein Spielgewinn, wenn sie in Anagrammen Neues herausklopft: da wird aus «Goethe, eiligst» auf einmal «Gott heiliege es» und schliesslich «Goethe ist geil». Und manchmal ist es ein echter Sprachgewinn, dies vor allem, wenn die Autorin genau auf die Wörter hört und uns zum Beispiel als Eichenarten vorstellt: die Totenbleichen, die Vorzeichen, die Blindschleichen und die Butterweichen. Oder Wortfusionen wie «Konjunkturbulenzen» und «Arbeitslossprechung» erfindet. Der Band, den Brigitte Fuchs (geb. 1951 in Widnau, lebt im Aargau) zusammen mit dem Künstler Beat Hofer gestaltet hat, ist mit der Poesie per Du. (eba)

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Dieses Buch liest sich wie eine Wundertüte

Markus Bundi / Mittelland-Zeitung / 30.5.06

Mit ihren sprachlichen Kapriolen "Salto wortale" stellt die Aargauer Autorin Brigitte Fuchs ein geistreiches Buch vor, an dem der bildende Künstler Beat Hofer wesentlichen Anteil hat - er steuert Wortbilder bei.

(...) Stichwort: "Salto wortale", denn so heisst der neue Band von Brigitte Fuchs, noch druckfrisch, mit 22 Versuchen, bis der Vers gefunden ist, da und dort Kleingedrucktes - und bis zum Ende weiss das Tausendguldenkraut nicht, was ein Euro ist. Im Gegensatz zur klassischen Lyrik, woher die Aargauer Autorin stammt, lässt sich die konkrete Poesie nicht auf Inhalt und Sprache reduzieren; einige Wortteile sind durch eine grössere oder andere Schrift hervorgehoben. Zum Beispiel das Wort "Schrei", auf das in der zweiten Zeile, auf derselben Breite, jedoch in wesentlich kleinerer Schrift, folgt: "ben ist eine stille Angelegenheit". Die Zeilen bleiben auch nicht immer in der Horizontalen, formen sich zuweilen zum Kreis, bilden ein Dreieck oder eine Treppe ab. Visuelle Darstellung und Inhalt geraten in Wechselwirkung, ergeben ein ästhetisches Ganzes, das nicht oder nur bedingt der Summe seiner einzelnen Bausteine entspricht.

Das ist fraglos nicht nur ein Spielfeld für Lyrikerinnen und Lyriker, sondern auch für bildende Künstler. In Beat Hofer hat Brigitte Fuchs denn auch den idealen Partner für ihre sprachlichen Kapriolen (so auch der Untertitel des Bandes) gefunden. Seine Wortbilder bringen im wahrsten Sinn des Wortes Farbe in den Band. Und so liegt mit "Salto wortale" ein Buch vor, das sich wie eine Wundertüte liest, das zuweilen Funken sprüht, von dem man nie weiss, was beim Umblättern als Nächstes geschieht. Ein lustvoller und zugleich geistreicher Band voller "Wortundbildbaustellen" - insbesondere schwindelfreien Leserinnen und Lesern wärmstens zu empfehlen.

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Wortakrobatik

Karlheinz Pichler / kultur-online.net / 21.8.06

Die 1951 in Widnau im St. Galler Rheintal geborene und seit 1979 in Teufenthal im schweizerischen Kanton Aargau lebende und arbeitende Autorin Brigitte Fuchs legt mit »Salto Wortale« ihren nunmehr sechsten Gedichtband vor. Was der Leser von diesem Werk zu erwarten hat, ist bereits im Buchtitel festgeschrieben. Es geht um Wortakrobatik im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Autorin führt vor Augen, wie Sprache mit scheinbar wenig Mitteln verändert, konstruiert, verbildlicht, deformiert, manipuliert werden kann. Ja sie erfindet und gestaltet Wörter neu - durch raffinierte und subtile Interventionen, oft minimalster Art. Sie hinterfragt den Hintersinn scheinbar unsinniger Texte und dreht die Bedeutungen einzelner Wörter durch den Austausch einzelner Buchstaben in eine völlig andere Richtung. So wird etwa der Feierabend zum Freierabend, der Monatsgehalt zum Monatsgehalb oder der Ordnungshüter zum Ordnungswüter.

Fuchs spürt sprachlichen Unzulänglichkeiten und Absurditäten in Medien und im Alltag nach, visualiert Sprache zu Bildern und lässt den Leser permanent in Wortfallen tappen. Es ist ein vergnügliches Buch, in dem Sprache als Material aufgefasst wird, mit dem sich in alle Richtungen Bedeutungskunstwerke entwickeln lassen. Sie bedient sich dabei instrumentalen Ressourcen, die vom Reim über Anagramme, Palindrome und Parabeln bis zu Slogans, Zaubersprüchen und Collagen reichen. Letzteres ist der Autorin ein aprobates Mittel, um Sprache zu visualieren und Bilder zu versprachlichen.

Unterstützt wird Fuchs, die bereits mit zahlreichen Preisen wie etwa dem Joachim-Ringelnatz-Preis oder dem Förderpreis des Meraner Lyrik-Preises bedacht wurde, vom Grafiker Beat Hofer. In Ergänzungen zu den sprachlichen Verbiegungen und Verformungen von Fuchs erstellte Hofer eigenständige Bildkompositionen, bei denen sich gestisch gesetzte Farbfelder immer wieder mit Textfetzen verschränken.

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Freude an Sprachspielen

Heinrich Boxler / Bücherpräsentator

Suchen Sie ein Mitbringsel für Bekannte, die Sinn für Sprache, sprachliche Kapriolen und Sprachwitz haben? Ein Mitbringsel, das auch von der grafischen Seite her zu gefallen vermag? Dann greifen Sie zu Salto Wortale. Sie verstehen den scherzhaften Titel: Die Verfasserin hat das M von Salto Mortale gegen ein W vertauscht, und schon sind beide Bedeutungen da: einerseits das Gefährliche eines Salto Mortale, gleichzeitig aber auch das Witzige der Neuschöpfung Wortale, hinter der sich das Spiel mit Wörtern versteckt, Wörter, die den Salto Mortale machen. Kunterbunt geht es zu und her in diesem Buch von Brigitte Fuchs. Die 1951 geborene Autorin stammt aus Widnau im St. Galler Rheintal und wohnt heute in Teufenthal AG. Sie ist von Beruf Primarlehrerin und hat für ihre Lyrik bereits verschiedene in- und ausländische Preise erhalten.

Wer aufmerksam Kindern zuhört, stellt fest, dass das Spiel mit Sprache zu den ureigensten kindlichen Vergnügen gehört. "Säg emaal Berg - Diin Vatter isch en Gartezweerg." "Grüezi Frau Ragetti. Choched si Spagetti?" So und ähnlich reimen die Kinder Unsinn zusammen. Solche Spiele gab es aber auch seit jeher für Erwachsene. Wir denken an Dada, an Morgensterns Galgenlieder oder an Hans Manz mit seinen sprachspielerischen Experimenten. Nicht immer wurde dieses Spiel verstanden. In den 1970er-Jahren arbeitete ich an einem Projekt mit, bei dem ich es wagte, Sprachspiele in ein Schulbuch einzufügen. Zum Schrecken verschiedener Lehrerinnen und Lehrer erhielten die Bücher erst noch die Namen Krokofant und Eledil. Wir wurden als verantwortungslose Sprachverhunzer verschrien. Dumm nur: Die Kinder freuten sich, endlich auch im Sprachbuch das zu finden, was sie ausserhalb der Schule gern betreiben.

Unterdessen hat das Sprachspiel nicht nur in der Schule seinen festen Platz. Auch Erwachsene, denen die Sprache nicht als heiliges, unantastbares Gut gilt, haben ihre Freude an diesen Spielereien. Schon Morgenstern betrieb sein Spiel als Erholung und Freizeitvergnügen. Es ist dem Verlag edition 8 hoch anzurechnen, dass er es wagt, für jene Leute ein reichhaltiges Buch herauszugeben, die den Sinn für solche Spielereien nicht verloren haben. Und wer einem solchen Unterfangen immer noch skeptisch gegenübersteht, wird bei der Lektüre von "Salto Wortale" feststellen, dass mehr Sinn hinter diesem Spiel steht als in manchem scheinbar tiefsinnigen Text. Die Autorin hat darin eine reiche Vielfalt verschiedenartigster Sprachspielereien zusammengetragen. (...)

Für Leute, denen der kindliche Spieltrieb nicht ganz abhanden gekommen ist, tragen die Wortspielereien (fast) immer eine gesunde Portion Humor in sich. Wer hat nicht schon über Gebrauchsanweisungen und Prospekte geschmunzelt, denen ein unbeholfener Übersetzer den Anstrich gegeben hat, sie seien auf Deutsch geschrieben. Die Autorin trägt dem Bedürfnis nach Wortwitz ausgiebig Rechnung. (...) Es wäre allerdings einseitig, wenn man im Buch "Salto Wortale" nur die sprachliche Seite beachten würde. Mindestens so effektvoll sind die collageartigen Bilder von Beat Hofer. Sie greifen in wundervoll leuchtenden Farben und nicht minder witzig das Spiel mit Wörtern auf. Dank einer ausserordentlich sorgfältigen Grafik ist ein Buch entstanden, das viel freien Raum für Gedanken lässt. Seine dezente Farbgebung schafft Spannung und Neugier. Es würde mich nicht erstaunen, wenn das Werk unter den schönsten Büchern des Jahres seinen Platz fände.

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NIELÄUFTEINWURMSTURM

Günther Nawe / Glarean Magazin

«Als sich das ROTWEINROT und das
WEISSWEINWEISS näher kamen,
sah die Welt plötzlich ganz rosé aus»

Von dieser und anderer, fantastisch vielfältiger Art sind die Sprachspiele der Brigitte Fuchs. Und so liegt – um es vorwegzunehmen – ein höchst amüsantes, ein sehr intelligentes und sehr schönes Buch vor mir, das jede Empfehlung wert ist. Was die Lyrikerin Brigitte Fuchs hier bietet, ist sprachliche Equilibristik der besonderen Art. Sie spielt mit den Wörtern, schüttelt sie sich zu recht, findet poetische Wortbilder, schlägt gewagte Salti und Kapriolen. Sie schreibt Sinn und vermeintlich Unsinn – doch lasse man sich nicht täuschen. Alles, was wir in diesem Buch sehen und lesen, ist begründet in der Lust an der Sprache und hat einen höchst poetischen Wert.

Ihre Lyrik ist – so hat Brigitte Fuchs es einmal selbst formuliert – «Arbeit an der Aussage, am Klang, am Rhythmus, an der Form». Ein hoher Anspruch, dem die Schweizer Lyrikerin in jeder Zeile, in jedem Bild gerecht wird. Für die Sprachartistin gehören «Genauigkeit des Denkens und das genaue Hinsehen wesentlich zum Handwerk des Schreibens». Und so ist das, was hier so leichtfüßig herkommt, harte Arbeit und pefektes Handwerk.

Geboren in Widnau im St. Galler Rheintal lebt die Lyrikerin heute im Kanton Aargau. Die gelernte Lehrerin ist nicht nur nur als Dichterin, sondern auch gestalterisch tätig. Ihren Arbeiten merkt man dies an. Dafür hat sie bereits zahlreiche Literaturpreise erhalten. Die Bücher der Brigitte Fuchs – zum Beispiel: «Herzschlagzeilen», «Das Blaue vom Himmel oder ich leben jetzt» und «Solange ihr Knie wippt» – sind längst über den Status eines Geheimtipps hinaus. Und das sollte auch für den Band «salto wortale» gelten.
Die Sprachkünstlerin Brigitte Fuchs konfrontiert den Leser mit oft sehr ungewohnten visuellen und verbalen Überraschungen. Seien es Wortcollagen, Sprachbilder, Gedichte oder Schüttelreime.

Da gibt es das Sprachbild «KONKRET», das mit der Zeile NIELÄUFTEINWURMSTURM endet.
Da sagt
«…der Seiltänzer zu seiner Frau: "Du müsstest wissen, dass für mich ein Seitensprung nicht in Frage kommt!"»

Oder man lese das «Sonett» – wenn man so will: ein wunderbares Liebesgedicht, in dem der Liebste aufgefordert wird, ein Sonett zu schreiben. Worauf er dichtet:
«…Sonette sind was Bittersüsses, Feines, / für Mädchen, die längst Frauen sind, mein Kind! / Sonette sind die Länge deines Beines – / denkst du denn, dass ich dafür Worte find?»

Manchmal «jandelt» es richtig schön. So, wenn Brigitte Fuchs ihrem großen Kollegen Ernst Jandl folgendes Gedicht widmet:

Oh Schandl
Was für ein Wandl
seit Ernst Jandl
verschwandl
… .
kein Wortspielhandl
alles verläuft im Sandl
oh Schandl

Nein, nichts verläuft in diesem herrlichen Buch, in diesen «vergnüglichen, anregenden und bekömmlichen Blätterbuch für Sprachfans» «im Sandl». Auch nicht die wunderbaren Farbbild-Seiten des Grafikers Beat Hofer. Er spielt ebenfalls gekonnt mit Bild und Wort und Farbe und hat so dem Lyrikband sein unverwechselbares Aussehen gegeben.

Übrigens: Müsste man der POESIE nicht endlich das DU anbieten? Brigitte Fuchs steht längst mit der Poesie auf Du und Du. Im «Vor- und Nachwort» schreibt sie: «Wir verlangen ja nicht viel vom Wort: Das und kein anderes soll es sein, anfänglich, wahr, gut, groß, geflügelt. Es soll uns auf die Sprünge helfen, wir wollen es ergreifen, halten, führen, erteilen, entziehen. Eines gibt das andere, wir werden jedes unterschreiben und das letzte, noch ehe es gesagt ist, behalten». Dem ist nichts hinzuzufügen.

Fazit
In ihrem Lyrik-Band «salto wortale» versteht es Brigitte Fuchs souverän, auf der gesamten Klaviatur der Sprache zu spielen. Ihr Buch ist amüsant, hintergründig und vordersinnig, intelligent und wunderbar - voller Lust an der Sprache und von hohem poetischen Wert. Durch die kongenialen Wortbilder von Beat Hofer bekommt dieser Lyrikband zudem ein unverwechselbares Aussehen.