Hudere Waser

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

256 Seiten

CHF 24.00, EUR 24.00

ISBN: 978-3-85990-061-5


5 Rezensionen

Im Frühjahr 1990, die Fichenaffäre hat ihren Scheitelpunkt überschritten, kommt der gut dreissigjährige Eric Waser von einer längeren Reise zurück. Auf dem Perron des Bahnhofs in Olten wird er überraschend von Vreni König abgeholt, die er kurz vor seinen Ferien an einem Fest kennen gelernt hatte.

Nach einem gemeinsamen Nachtessen fahren sie in Erics Stammkneipe, wo sie auf seinen Bruder Tom treffen, der Vreni mit Geschichten aus Erics Jugend unterhält. Erst als Tom auf den Fichenskandal zu sprechen kommt, erfährt Eric in groben Zügen, was in der Schweiz in den drei Monaten seiner Abwesenheit los war.

Im Bett eröffnet Vreni dem ein wenig verdutzten Eric, dass sie von ihm ein Kind erwartet. Da er als Taxichauffeur weniger verdient als Vreni, die auf der Redaktion der konservativen „Oltner Zeitung“ ein Stagiaire absolviert, beginnt er sich seine Zukunft als Vater und Hausmann auszumalen. Ein paar Wochen später, Vreni ist unterdessen in seine Wohnung eingezogen, wird Eric von seiner Vergangenheit als militanter Politaktivist eingeholt. Auf einer Nachtschicht verlangt ein Fahrgast namens Christian Schwitzer, der behauptet für den Staatsschutz zu arbeiten, von Eric eine nicht näher definierte Zusammenarbeit. Am Ende der Fahrt nach Bern weigert sich Eric, das Angebot anzunehmen, doch er beschliesst, Vreni endlich von seiner politischen Vergangenheit zu erzählen.

Die Reaktion auf seine Weigerung lässt nicht lange auf sich warten. Vreni wird von ihrem Chef ultimativ aufgefordert, sich von Eric zu trennen. Also organisiert Eric ihren Umzug in den „Roten Hof“, eine landwirtschaftliche Kommune auf dem Hauenstein. Kurz darauf wird Eric gründlich verprügelt. Noch im Spital kriegt er Besuch von Schwitzer, der ihn auffordert, ebenfalls auf den „Roten Hof“ zu ziehen, wo er sich an einen der Kommunarden ranmachen soll, der als einer der führenden Köpfe der „Gruppe für eine Schweiz ohne Armee“ (GSoA) gilt. Scheinbar am Ende seiner Widerstandskraft geht Eric darauf ein.

Rezensionen

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Stärken und Schwächen

Koni Löpfe / P.S.

Peter Staub präsentiert in seinem Thriller "Hudere-Waser" zwei zentrale Elemente: Eine Schilderung der alternativ-linken Szene Oltens und eines Übergriffs des Schweizer Staatsschutzes. Im Zentrum steht Eric Waser, heute Taxichauffeur, früher Politaktivist und immer noch wehrhaft.

Zurück aus den Ferien holt ihn Vreni König ab. Mit ihr hatte er ein kurzes Abenteuer; dass sie von ihm schwanger ist, nimmt er als gegeben hin. Es entwickelt sich eine gute Liebesgeschichte, die er zwar nicht ganz begreift, die ihm aber durchaus recht ist. Zumal Vreni ihm als Mitarbeiterin der bürgerlichen Zeitung auch noch helfen kann. Die Beziehungen zur damaligen SP-Zeitung, die es heute leider nicht mehr gibt, hat er selber noch. Weniger gut als das Privaleben entwickelt sich sein sonstiges Leben. Der Beruf des Taxichauffeurs gefällt ihm zwar, aber er wird vom Geheimpolizisten Schwitzer gedrängt, für ihn zu spitzeln. Wenn er nicht mitmache, werde seine Vergangenheit wieder aufleben: Erich hat eine Gefängnisstrafe hinter sich. Er denkt aber nicht daran, sich der Drohung zu beugen: Erstens, weil er sicher kein Spitzel werden will, und zweitens, weil er, ein Verdingkind, das sich gegen die Pro Juventute gewehrt hatte, sich grundsätzlich nicht bedrohen lässt. Zusammen mit Vreni und Ruth, die Beziehungen zu den grossen Medien hat, baut er für den Staatsschutz eine Falle auf.

Der Krimi hat seine Stärken. In erster Linie die Schilderung des ganzen links-alternativen Spektrums von Olten. Es kommt von der SP zur Landkommune alles vor; die politischen Inhalte und Ziele werden seitenlang und recht originaItreu zusammengefasst, was eher ungewollt zur Satire führt. Es werden viele Aspekte der jüngeren Schweizer Geschichte (insbesondere der Polizeigeschichte) behandelt. Die persönlichen Beziehungen kommen nicht zu kurz, und die Wandlung von der Kommune zur mittelständischen Gemeinschaft wird ohne Häme geschildert. Das Buch hat auch Schwächen. Neben der teils eher gesuchten Geschichte ist es die Sprache: Der Autor kann sehr eingehend die Atmosphäre schildern, er hat einen Blick für Details, aber er ist kein wirklicher Schriftsteller. kl.

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Auf der Fährte der "Alpen-Stasi"

Charles Cornu / Der Bund / 16.10.04

Die Allmacht des Staatsschutzes und der Kampfesmut eines linken Aktivisten: Das ist der Stoff von Peter Staubs erstem Roman.

Charles Cornu

Olten ist kein schlechtes Pflaster für literarische Querdenker. Das zeigte sich nicht nur seinerzeit bei der Gründung der Gruppe Olten, sondern tritt auch in diesem und jenem Buch von Alex Capus in Erscheinung. Und geradezu eine Hauptrolle, zumindest hinsichtlich des Lokalkolorits, kommt dem Städtchen mit seinen Spunten und Beizen, mit Fabriken und Hinterhöfen und dem ganzen Szenewesen im Roman "Hudere Waser" zu. Manchmal tut der Autor, Peter Staub, allerdings des Guten zu viel: Nicht die Anhäufung von hunderterlei konkreten Einzelheiten, wie er sie betreibt, sondern die kritische Auswahl formt zuletzt ein Bild mit Aussagekraft, schafft die Verdichtung der Atmosphäre.

Doch ist einzuräumen: Staub hat anderes, quasi Wichtigeres im Sinn. Er strebt nicht mehr und nicht weniger an als eine Art Polit-Thriller, was ihm - zugegeben - in der zweiten Hälfte des Buches einigermassen gelingt. Und zwar einen Thriller, der fest in links-oppositionellem Boden wurzelt und letztlich dem hiesigen "bürgerlich- kapitalistischen Überwachungsstaat" zünftig auf die Finger haut.

Staubs Held heisst Eric Waser und ist, dem 1962 geborenen Autor darin nicht unähnlich, Teilzeit-Taxichauffeur, Teilzeit-Student und Vollzeit-Rebell. Überdies ist er Abkömmling von Fahrenden (darum sein Übername Hudere-Waser). Wasers jenische Herkunft führt den Erzähler denn auch mit augenfälliger Zwangsläufigkeit zur ominösen Aktion "Kinder der Landstrasse" - ein Thema, das Mariella Mehr allerdings authentischer und literarisch gewichtiger abgehandelt hat. Die Fichen-Affäre, Anti-AKW-Aktionen, die Abstimmung Schweiz ohne Armee sind weitere Partikel, die in langen Beizen- und WG-Gesprächen und Monologen erörtert werden. Und wenngleich der Autor ab und zu handfesten Sex hineinpfeffert, die theoretisierende, politisch ausgerichtete Vorgeschichte wird damit nicht unbedingt süffiger.

Aber dann tritt Christian Schwitzer auf, gewissermassen ein Superschweizer mit aggressivem tz im Namen. Mit diesem Mann bekommt der Unrechtsstaat ein Gesicht und der tapfere Kämpe Hudere-Waser einen Gegner, den er direkt attackieren kann. Schwitzer nämlich ist etwas Höheres in einer Art "Alpen-Stasi"; er will Waser auf Grund von dessen Vergangenheit und mit Hilfe einer aktuellen Liebesbeziehung in die Aufgaben eines "Informellen Mitarbeiters" nötigen. Aber oha! Waser kehrt den Spiess raffiniert um, und Schwitzer steht am Ende mit abgesägten Hosen da. Hudere-Waser aber ist wieder um eine bittere Erfahrung mit seinem Staat und Leuten seiner Umgebung reicher geworden.

Das alles und noch einiges mehr wird von Peter Staub mit viel Eifer und todernster Gesinnung erzählt. Aber gut gemeint ist noch nicht gut gemacht: Staub und seine Lektoren hätten sprachlich wie kompositorisch noch einiges verbessern können.

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Ein spannender Krimi mit Schauplatz Olten

Rezension / Ruedi Studer / Oltner Tagblatt / 7.5.04

"Hudere-Waser" Der in Trimbach aufgewachsene Peter Staub legt ein gelungenes Erstlingswerk vor.

Mit "Hudere-Wasser" legt der in Trimbach aufgewachsene Schriftsteller Peter Staub ein spannendes Erstlingswerk vor. Hintergrund des Kriminalromans ist der "Schnüffelstaat Schweiz"; eine Thematik, welche Anfang der Neunzigerjahre mit dem Fichenskandal die Gemüter bis tief ins bürgerliche Lager erhitzte. Staubs Hauptfigur ist der 30-jährige Waser. Ein linker Utopist und ehemaliger GSoA-Aktivist, der sich als Taxichauffeur seinen Lebensunterhalt verdient, sich aus dem politischen Leben aber weitgehend verabschiedet hat und seine Freizeit am liebsten mit dem Lesen politische Literatur und dem Rauchen von Joints verbringt.

Rahmenhandlung

Staubs Geschichte beginnt im Frühjahr 1990 mit der Rückkehr Wasers von einer längeren Reise. Auf dem Perron des Bahnhofs Olten wird er überraschenderweise von seine Liebschaft Vreni König abgeholt, die er kurz vor seinen Ferien an einem Fest kennen gelernt hatte. Nach einem gemeinsamen Nachtessen fahren die beiden in Wasers Stammbeiz, wo sie auf seinen Bruder Tom treffen. Erst hier erfährt der Sohn eines "Zigeuners" - deshalb auch der Titel "Hudere-Waser" - in groben Zügen, was in den drei Monaten seiner Abwesenheit los war: der Fichenskandal bewegte die Schweiz. Weiter erfährt Waser von seiner Freundin, welche für die konservative "OltnerZeitung" als Redaktorin arbeitet, dass sie von ihm ein Kind erwartet. Sie zieht schliesslich auch in Wasers Wohnung im Oltner Industriequartier.

Kaum hat sich Waser mit seiner neuen Lebenslage arrangiert, holt ihn seine militante Vergangenheit ein. Nachts setzt sich ein Fahrgast namens Christian Schwitzer in sein Taxi. Dieser behauptet, für den Staatsschutz zu arbeiten und verlangt von Waser, sich für eine vorerst noch nicht definierte Aufgabe bereit zu halten. Zwar weigert er sich vorerst, mit den "Schlapphüten" zu arbeiten, doch der Druck auf ihn und seine Freundin nimmt schliesslich überhand, sodass Waser scheinbar die Fronten wechselt und sich als Spitzel verdingt: Im "Roten Hof", einer landwirtschaftlichen Kommune auf dem Hauenstein, soll er sich an einen der führenden GSoA-Köpfe ranmachen und diesen ausspionieren. Eric Waser geht vorderhand auf den Deal ein, versucht aber gleichzeitig einen Weg zu finden, Schwitzer und seine Schergen auffliegen zu lassen. Doch Waser ist nicht der einzige Spitzel...

Spannungsfeld aufgebaut

Der Autor Peter Staub schafft es, mit seinem Erzählstrang ein Spannungsfeld aufzubauen , welches bis ans Ende der Geschichte aufrechterhalten bleibt. Was als harmlose Liebesgeschichte seinen Anfang nimmt, mündet unvermittelt in einen kniffligen Krimi. Bis zum Schluss bleibt offen, wer der "Maulwurf" ist, welcher Waser in seinem Kampf gegen den staatlichen Repressionsapparat sabotiert. der Autor wartet auch mit einem unterhaltsamen Erzählstil auf. Einzelne Stellen allerdings wirken überladen, etwa wenn Staub die Wohnung oder die Stammbeiz Wasers in jeglichen Details beschreibt.

Staubs eigener politischer Hintergrund kommt in der Geschichte klar zum Ausdruck. So weiten sich Dialoge zwischen den Protagonisten nicht selten in politische Diskurse aus. Staub benutzt Waser & Co. dazu, seine politischen Ansichten zu transportieren.

Trotzdem sind diese Politdebatten in der Geschichte, welche insbesondere in der linken Szene einer Kleinstadt spielt, nicht unpassend. Staubs Roman ist nicht nur ein spannender Krimi, sondern auch ein Stück Gesellschafts- und Politgeschichte. Der Autor fühlt den Puls der politischen Linken, welche sich in dieser Zeit - mit dem Fall der Mauer, dem Achtungserfolg der GSoA-Initiative und dem Kampf gegen den "Schnüffelstaat" - in einer Aufbruchstimmung befand, wobei gleichzeitig die Fichenaffäre auch die liberale Öffentlichkeit tief erschütterte. Der Roman ist damit eine moderne Parabel über unorthodoxen Widerstand in reaktionären Zeiten und wirft beispielhaft Schlaglichter in die Abgründe der neueren Geschichte. (rus)

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Krimi um die Fichenaffäre

Ruedi Studer / St. Galler Tagblatt / 24.5.04

Peter Staub liest morgen im «Engel» erstmals aus seinem Kriminalroman «Hudere-Waser»

Der in Biel wohnhafte Schriftsteller Peter Staub legt ein spannendes Erstlingswerk vor. Hintergrund des Kriminalromans ist der «Schnüffelstaat Schweiz». Premiere der Lesetour ist in St. Gallen.

Ruedi Studer

Hauptfigur ist der 30-jährige Eric Waser. Ein linker Utopist und ehemaliger Anti-AKW-Aktivist, der sich als Taxichauffeur seinen Lebensunterhalt verdient, sich aus dem politischen Leben aber weitgehend verabschiedet hat und seine Freizeit am liebsten mit dem Lesen politischer Literatur und dem Rauchen von Joints verbringt. Peter Staubs Geschichte beginnt im Frühjahr 1990 mit der Rückkehr Wasers von einer Reise. Auf dem Perron des Bahnhofs Olten wird er von seiner Liebschaft Vreni abgeholt, die er kurz vor seinen Ferien kennen gelernt hatte. Nach einem gemeinsamen Nachtessen fahren sie zu Wasers Stammbeiz, wo sie auf seinen Bruder Tom treffen. Hier erfährt der Sohn eines «Zigeuners» - deshalb der Titel «Hudere-Waser» - dass in den drei Monaten seiner Abwesenheit der Fichenskandal die Schweiz bewege. Weiter erfährt Waser von seiner Freundin, die für die konservative «Oltner Zeitung» als Redaktorin arbeitet, dass sie von ihm ein Kind erwartet.

Spitzel für den Staatsschutz

Kaum hat sich Waser mit seiner neuen Lebenslage arrangiert, holt ihn seine militante Vergangenheit ein: Eines Nachts setzt sich ein Fahrgast namens Christian Schwitzer in sein Taxi. Der behauptet, für den Staatsschutz zu arbeiten und verlangt von Waser, sich für eine vorerst noch nicht definierte Aufgabe bereit zu halten. Zwar weigert er sich zunächst, mit den «Schlapphüten» zusammenzuarbeiten, doch der Druck auf ihn und seine Freundin wird so gross, dass Waser sich als Spitzel verdingt: Im «Roten Hof», einer landwirtschaftlichen Kommune, soll er sich an einen der führenden GSoA-Köpfe ranmachen und ihn ausspionieren. Eric Waser geht zwar auf den Deal ein, versucht aber gleichzeitig einen Weg zu finden, Schwitzer und seine Schergen auffliegen zu lassen. Doch Waser ist nicht der einzige Spitzel ... Peter Staub gelingt es, ein Spannungsfeld aufzubauen, das bis ans Ende der Geschichte aufrecht erhalten bleibt. Bis zum Schluss bleibt offen, wer der «Maulwurf» ist, der Waser in seinem Kampf gegen den staatlichen Repressionsapparat sabotiert. Der Autor wartet mit einem unterhaltsamen Erzählstil auf, obwohl einzelne Stellen überladen wirken, etwa wenn Staub die Wohnung oder die Stammbeiz in jeglichen Details beschreibt.

Ein Stück Politgeschichte

Staubs eigener politischer Hintergrund kommt in der Geschichte klar zum Ausdruck. So weiten sich Dialoge zwischen den Protagonisten nicht selten in politische Diskurse aus. Staub benutzt Waser & Co. dazu, seine eigenen politischen Ansichten zu transportieren. Staubs Roman ist darum nicht nur ein spannender Krimi, sondern auch ein Stück Gesellschafts- und Politgeschichte.

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"Schnüffelstaat Schweiz" als Hintergrund

Interview / Ruedi Studer / Oltner Tagblatt / 7.5.04

Peter Staub Im Kriminalroman "Hudere-Waser" schöpft der Autor aus seinem politischen Erfahrungsschatz.

Der in Trimbach aufgewachsene Peter Staub präsentiert mit "Hudere-Waser" sein schriftstellerisches Erstlingswerk. In diesem Kriminalroman mit Schauplatz Olten schöpft Staub viel aus seinem politischen Erfahrungsschatz. Als Hintergrund der Geschichte dient die Fichenaffäre Anfang der Neunzigerjahre.

Ruedi Studer

Peter Staub, Sie haben als Taxichauffeur, Hilfsarbeiter, Journalist, Hausmann, GSoA? und Gewerkschaftssekretär gearbeitet. Nun versuchen Sie sich auch als Schriftsteller. Wie kam es zu diesem Schritt?
Peter Staub: Eigentlich habe ich dies einem Taxikollegen zu verdanken. Dieser hat mich bei Alex Capus' Durchbruch als Schriftsteller darauf angesprochen, weshalb ich eigentlich keines schreibe. Ich antwortete, ich schreibe kein Buch, sondern will eine Revolution machen (lacht). Im Februar 2000 allerdings verbrachte ich eine Ferienwoche in Südfrankreich, las dort zwei, drei schlechte Bücher. Nach meiner Rückkehr ging ich mit meinem Sohn Skifahren, nachdem ich zehn Jahre nicht mehr auf den Ski war - und erlitt einen Kreuzbandriss. Drei Monate lang konnte ich - damals war ich professioneller Hauswart - nicht mehr arbeiten. Anstelle nun drei Monate lang schlechte Bücher zu lesen, besann ich mich auf den Vorschlag meines Kollegen und habe während dieser Zeit praktisch täglich mehrere Stunden geschrieben. Am Schluss hatte ich einen 500-seitigen "Schinken", den ich dann mehrmals gründlich überarbeitete, bis ich ihn im Herbst 2003 halb so dick meinem Verlag abliefern konnte.

Die Fichenaffäre und der "Schnüffelstaat Schweiz" sind der Hintergrund Ihres Kriminalromans. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?
Staub: Beim Fichenskandal kam ich ziemlich auf die Welt. Ich habe mich bereits vorher mit politischer Repression befasst und politische Geschichtsbücher gelesen. Ich hatte aber nie den Eindruck, dass dieses Thema auch mit meiner Person etwas zu tun haben könnte. Als der Fichenskandal damals aufflog, bestellte ich meine Fiche. Der erste Eintrag verweist auf meine Mitgliedschaft im GSoA?Initiativkomitee. Dass dies mein erster Eintrag sein sollte, fand ich etwas seltsam, da ich mich schon Jahre zuvor politisch engagiert habe. - Ich war nicht gerade glücklich, wie der Fichenskandal thematisiert, aufgearbeitet und erledigt wurde. Deshalb dient das Thema nun als Rahmenhandlung für meinen Roman.

Kommt Ihr Buch nicht zu spät, ist die Thematik nicht veraltet?
Staub: Das Thema Überwachung ist bestimmt noch aktuell. Der Fichenskandal als solcher selber ist es zwar nicht mehr - die jüngeren Leute haben keine Ahnung mehr, wovon man da spricht -, aber ich hatte damals weder die Idee noch die Gelegenheit, etwas zu schreiben. Ich brauchte auch einen gewissen Abstand, damit ich nicht einfach meine Erfahrungen mit dem Fichenstaat niederschrieb, sondern dass ich einen grösseren Zusammenhang herstellen konnte. - Neben dem Fichenskandal spielen in meinem Buch auch weitere gesellschaftspolitische Aspekte eine Rolle. Das Buch ist zudem ein Sittengemälde einer typisch schweizerischen, kleinstädtischen Gesellschaft.

Die Hauptfigur Eric Waser ist Taxichauffeur, GSoA-Aktivist und steht politisch klar links. Gewisse Parallelen zu Ihnen sind unverkennbar. Wie viel Autobiographisches steckt denn in Ihrem Buch - oder ist etwa alles erfunden?
Die ganze Geschichte ist erfunden. Autobiographisch ist sie nur insofern, dass ich über etwas schreibe, wovon ich auch etwas verstehe. Es gibt nichts Schlimmeres als Schriftsteller, die über etwas schreiben, wovon sie keine Ahnung haben. Insofern habe ich aus meinem Erfahrungsschatz geschöpft. Die ganze Story und auch die Personen sind von A bis Z erfunden. Ich habe mir Mühe gegeben, dort wo allenfalls Berührungspunkte mit der Realität bzw. zeitgenössischen Personen vorhanden sind, diese soweit zu verfremden, dass man nicht mit dem Finger auf sie zeigen kann.

Waser ist ein halber "Zigeuner". In Ihrem Buch sprechen sie die Problematik der Fahrenden an. Weshalb?
Staub: Als ich für die "Solothurner AZ" arbeitete, hielten Betroffene der Aktion "Kinder der Landstrasse" in Trimbach eine Pressekonferenz ab. Damals wurde ich zum ersten Mal mit der Problematik der Fahrenden konfrontiert. Und es war das einzige Mal, dass ich als Journalist an einer Veranstaltung Tränen in den Augen hatte. Es war absolut eindrücklich, als gestandene Frauen und Männer erzählten, was mit ihnen in ihrer Kindheit passiert war. Das ist mir damals ziemlich eingefahren.

In Ihrem Buch sagt einer der Protagonisten, "aus einem guten Roman kann man mehr lernen als aus einem Sachbuch". Inwiefern trifft dies auf Ihren Roman zu?
Staub: Diese Erkenntnis habe ich als Leser gewonnen. Bei Norman Mailers Werk "Das Epos der geheimen Mächte" beispielsweise habe ich mehr darüber erfahren, was in einem Geheimdienst wirklich abgeht als in Sachbüchern über Geheimdienste. ? Ich hoffe natürlich, dass ich mit meinem Buch diesem Anspruch gerecht werde. Darüber müssen die Leserinnen und Leser urteilen. - Ich versuche den Fichenskandal, den ganzen Repressionsapparat auf eine Art und Weise auszuleuchten, wie es für mich in einem Sachbuch nicht möglich gewesen wäre. Ich versuche ein Gemälde zu zeichnen, wie es etwa hätte sein können.

Haben Sie denn selber Erfahrungen mit dem "Repressionsapparat" gemacht? Gibt es einen Schnüffler wie Christian Schwitzer in Ihrem Leben?
Staub: Einen Schwitzer gibt es bei mir nicht. Zumindest bin ich nie direkt angesprochen worden. Aber nach dem Auffliegen des Fichenskandals sind mir die Schuppen von den Augen gefallen. Während man in der DDR wusste, dass eine Stasi besteht, ist es bei uns gerade umgekehrt: Bei uns haben alle gedacht, bei uns sei so etwas nicht möglich. Im Nachhinein hatte ich bei einigen Personen den Verdacht, dass sie zumindest eine gewisse Affinität zum Repressionsapparat hatten.
Mit dem Buch kann ich meine Ansichten öffentlich machen.

War es für Sie auch eine Motivation, Ihre politischen Ansichten mit dem Buch transportieren zu können?
Staub: Das ist sicher einer der Hauptgründe. Während Jahren konnte ich nicht mehr publizieren, da ich kein entsprechendes Gefäss gefunden habe, wo meine Beiträge abgedruckt worden wären. Insofern war dies meine einzige Möglichkeit, meine Ansichten öffentlich zu machen.

Sie sind ein politisch "Bewegter", wollen Sie mit Ihrem Buch auch etwas bewegen? Steht der Politikaktivist oder der Schriftsteller im Vordergrund?
Staub: Der Schriftsteller. Es geht mir nicht darum, auf politischer Ebene direkt etwas zu bewegen. Aber wenn ich bei den Leserinnen und Lesern etwas auslösen kann, damit sie sich Gedanken machen und sich vielleicht sogar engagieren, dann hat das Buch sein Ziel erreicht.

Der Schauplatz ihres Romans ist Olten. Welche Beziehungen haben Sie zu ihrer Heimatregion?
Staub: Ich habe das Buch in Olten geschrieben, in Biel wohne ich erst seit kurzem. Die Wahl für den Schauplatz ist auf Olten gefallen, weil ich mich auskenne. Die Geschichte als solche hätte überall spielen können. Ich habe aber keinen Grund gesehen, weshalb sie nicht in Olten spielen sollte. Selbst auf die Gefahr hin, dass man mich als Provinzler titulieren wird.

Sie werden als "neuer Oltner Autor" gehandelt. Haben Sie denn schon ein weiteres Buch in Planung?
Staub: Ich habe tatsächlich ein zweites Buch in Arbeit. Und weitere Bücher wären natürlich schon das Ziel. Aber zuerst will ich mal abwarten, ob ich mit "Hudere-Waser" ein Publikum finde.

Ist Ihr nächstes Buch wieder ein Krimi?
Staub: Es ist noch mehr ein Krimi als der Erste. Über den Inhalt aber will ich noch nichts sagen. Nur so viel: Im nächsten Buch wird es auch einen Toten geben (lacht).