Papanonna

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

304 Seiten

CHF 24.00, EUR 24.00

ISBN: 978-3-85990-080-6


6 Rezensionen

Mit grosser Fabulierlust, mitreissendem Drive und einem ausgeprägten Sinn für die Leichtigkeit des Seins entrollt Heine J. Dietiker das Panorama einer reichen italienischen Grossfamilie, der es gelingt, eines ihrer weiblichen Mitglieder anstelle des Zwillingsbruders zum Papst krönen und beim drohenden Auffliegen des Betrugs in einer kunstvollen Inszenierung verschwinden zu lassen. Während seiner kurzen Amtsdauer vermag Papst Africanus I. die Herzen der Menschen zu gewinnen und wegweisende Signale zu setzen.

Man zählt das Jahr 2085, die Menschen haben gelernt, ihr Leben mit unermesslich teuren Maschinen bis ans Ende des Geldes zu verlängern. In einem Pflegeheim der Luxusklasse erzählt Giovanni di Stefano seinem milliardenschweren Zimmerpartner Bassi eine pikante Episode aus seiner Familiengeschichte.

Vor über 100 Jahren kam der adlige Clan der Di Stefanos auf dem Landgut in der Emilia Romagna zusammen, um den neunzigsten Geburtstag von Giovannis Urgrossmutter Rosa zu feiern. Nur Rosas ungeliebter Schwiegersohn Norbert, der bei der Familie seines Bruders in Köln lebt, ist nicht eingeladen. Am selben Tag wird bekannt, dass der Papst gestorben ist. Rosas Sohn, der als Favorit für die Nachfolge gilt, erliegt vor Aufregung einem Herzschlag. Da kommen die machtsüchtige Rosa und ihre emanzipierte Enkelin Rebecca auf die Idee, seine Zwillingsschwester Pia, eine Religionslehrerin, als Kardinal Vico in das Konklave zu schicken. Mit intriganter Hektik treiben die beiden den Plan voran.

Pia, die das Lebenswerk ihres Bruders vollenden und die Kirche reformieren möchte, wird schliesslich gewählt. Als Papst Africanus I. lenkt sie mit geschickter Hand die Amtsgeschäfte im Vatikan und begeistert die Menschen mit ihrer klugen Politik und persönlichen Glaubwürdigkeit. Doch Norbert, der jetzt erst erfährt, dass seine Frau noch lebt und als Papst amtet, will sich mit dieser Situation nicht abfinden: Nach Jahren der unfreiwilligen Trennung entschliesst er sich, endlich um seine Ehefrau zu kämpfen, um den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen. Gleichzeitig wird unter den di Stefanos ein zäher Machtkampf um die Verwaltung des Familienvermögens ausgetragen.

Pias Leben als Papst bleibt nicht von Dauer. Die Gefahr aufzufliegen wird immer grösser. Deshalb überlässt sie es ihrem Mann und den Simons, seiner Familie in Köln, den Ausstieg aus der Rolle zu organisieren. Auf einer Afrikareise verschwindet der Papst schliesslich vor den Augen der Weltöffentlichkeit auf mystische Weise.

Rezensionen

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Konsequent, leichtfüssig und genau erzählt

Anna Thalbach, Schauspielerin

Dieses Buch, diese Geschichte benennt so viele Fragen, Ideen, Ideologien, Träume und Ängste, auf eine mutige, wahnwitzige und charmante Weise. Wenn man beim Lesen die Augen schliessen könnte, wären die Bilder so stark wie die Filme Viscontis, grosses italienisches Kino. Die Gegenwart der Zukunft sind zwei alte Männer in einer Klinik, beide angeschlossen an eine Maschine, die sie am Leben hält. Einer, abhängig vom anderen, beginnt die Geschichte, die Vergangenheit, und zieht uns nach Italien, in die gewaltige Familie der di Stefanos, ein katholisches, reiches, organisiertes, ambitioniertes Rudel, das eine Frau zum Papst macht. Fast wünscht man sich, die ganze Welt würde sich dadurch verändern, aber die Welt dieser Geschichte wackelt ordentlich. Die Neugier auf jede Konsequenz bleibt beständig und man will gar nicht, dass es aufhört. Gleichzeitig bewegt die Erzählung zu eigenen Gedanken, zu grossen Themen wie Religion, Politik, Ethik, Ökonomie, Utopie, Wahrheit und Lüge und natürlich Verantwortung und Liebe.

Papanonna ist konsequent, leichtfüssig und genau erzählt. Der Autor liebt seine Figuren, seine Orte, seine Ideen, und das macht sie so dreidimensional. Ich konnte das Sepia sehen, das Blau, das Rot, das Gold. Ich konnte riechen, wies da riecht, und die Geräusche hören, die man hört. Eine Frau als Papst ist sicher das Revolutionärste, was ich in der letzten Zeit erzählt bekommen habe, und ich finde es einen grossartigen, liebevollen Gedanken und Ansatz.

Wenn Sie es wollen und zulassen, lieber Leser, dann sehen Sie ein imposantes Epos, welches Sie in ein Haus mit vielen Zimmer führt. Für mich sind dies mitunter die ehrlichsten und besten Geschichten oder Filme oder Bilder, die, die einen einbinden, einen fordern, einen aufregen und beruhigen, die einen träumen, wissen lassen oder Lügen strafen.

Heine J. Dietiker weiss, was er erzählen will, und das überträgt sich, seine Achsen sind frech und manchmal unverfroren, aber logisch, Visconti meets Robert Altman. Hinter der grossen Geschichte stehen viele Einzelne, die alle gleichermassen bewegend und spannend sind. Nehmen Sie diesen Roman, packen Sie Ihre Koffer und fahren Sie nach Rom, um dort zu lesen; meine warme und schelmisch lächelnde Empfehlung.

Die Autorin
Anna Thalbach ist 1973 in Berlin geboren und steht seit ihrem sechsten Lebensjahr vor der Kamera. Neben Bühnenerfolgen (Mutter Courage, Die heilige Johanna der Schlachthöfe, Die Möwe) und zahlreichen Auftritten in Kino (Justiz, Der Untergang) und in Fernsehproduktionen fiel sie als Sprecherin von besonderen Hörbüchern auf. Sie hat bereits zahlreiche Preise erhalten (Deutscher Fernsehpreis 2001, Telestar 1993, Max Ophüls Preis 1992). Neben ihrer Tätigkeit als Darstellerin arbeitet Anna Thalbach auch erfolgreich als bildende Künstlerin.

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Eine Geschichte, in die man sich verlieben kann

Maran Alsdorf, Literaturzirkel Belletristik, Science Fiction & Fantasy

Es gibt Geschichten, in die man sich schon nach wenigen Zeilen verliebt. Als ich im März die erste Leseprobe erhielt, war mir schnell klar, dass PAPANONNA mein Herz im Sturm erobert hat. Doch zunächst wurde der Erscheinungstermin auf Mai verschoben und ich bekam leises Herzweh. Dann starb Papst Johannes Paul II. und nun wurde die Auslieferung verschoben – es brach mir fast das Herz.

Die Zeit frisst manchmal Bücher. Sollte es das Schicksal dieses Buches sein, wegen der aktuellen Ereignisse nie in den Handel zu gelangen? Sie fragen sich, was der Tod des Papstes mit PAPANONNA zu tun hat? Nun, alles und nichts, denn Heine J. Dietikers Roman beginnt im Jahre 2085. Die Menschen haben gelernt, ihr Leben mit unermesslich teuren Maschinen bis ans Ende des Geldes zu verlängern. In einem Pflegeheim der Luxusklasse erzählt Giovanni di Stefano seinem milliardenschweren Zimmerpartner Bassi eine pikante Episode aus seiner Familiengeschichte.

Vor über 100 Jahren kam der adlige Clan der Di Stefanos auf dem Landgut in der Emilia Romagna zusammen, um den neunzigsten Geburtstag von Giovannis Urgrossmutter Rosa zu feiern. Nur Rosas ungeliebter Schwiegersohn Norbert, der bei der Familie seines Bruders in Köln lebt, ist nicht eingeladen. Am selben Tag wird bekannt, dass der Papst gestorben ist. Rosas Sohn, der als Favorit für die Nachfolge gilt, erliegt vor Aufregung einem Herzschlag. Da kommen die machtsüchtige Rosa und ihre emanzipierte Enkelin Rebecca auf die Idee, seine Zwillings-schwester Pia, eine Theologieprofessorin, als Kardinal Vico in die Konklave zu schicken. Mit intriganter Hektik treiben die beiden den Plan voran.

Pia, die das Lebenswerk ihres Bruders vollenden und die Kirche reformieren möchte, wird schließlich gewählt. Als Papst Africanus I. lenkt sie mit geschickter Hand die Amtsgeschäfte im Vatikan und begeistert die Menschen mit ihrer klugen Politik und persönlicher Glaubwürdigkeit. Doch Norbert, der jetzt erst erfährt, dass seine Frau noch lebt und als Papst amtet, will sich mit dieser Situation nicht abfinden: Nach Jahren der unfreiwilligen Trennung entschließt er sich, endlich um seine Ehefrau zu kämpfen, um den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen. Gleichzeitig wird unter den di Stefanos ein zäher Machtkampf um die Verwaltung des Familienvermögens ausgetragen.

Pias Leben als Papst bleibt nicht von Dauer. Die Gefahr aufzufliegen wird immer größer. Deshalb überlässt sie es ihrem Mann und den Simons, seiner Familie in Köln, den Ausstieg aus der Rolle zu organisieren. Auf einer Afrikareise verschwindet der Papst schließlich vor den Augen der Weltöffentlichkeit auf mystische Weise.

Nun stellen Sie sich vor, dass PAPANONNA nicht in einem kleinen schweizerischen Verlag sondern bei einem der großen multinationalen Verlagskonzerne erscheinen sollte. Glauben Sie, man hätte dort die Veröffentlichung verschoben? Oder sehen Sie vor ihrem geistigen Auge auch eine schreiend auf Aktualität abzielende, große Werbekampagne? Wenn es mir auch nicht gefallen hat, dass ich so lange auf das Buch warten musste, so kann ich rückblickend Autor und Verlag nur zu ihrer pietätvollen Entscheidung gratulieren. Nicht weil nun etwa irgendjemand annehmen könnte, Papst Benedikt XVI., ehedem Josef Kardinal Ratzinger, hätte in irgendeiner Weise mit dem fiktiven Papst Africanus I. zu tun, wäre jede andere Entscheidung falsch gewesen, sondern weil Dietikers Roman in ganz besonderer Weise vom Respekt vor dem Glauben getragen wird. »Eine heitere Umsturzgeschichte« nennt der Verlag das Buch auf dem Schutzumschlag. Und genau das ist es: humorvoll frech, originell kritisch, phantasievoll umstürzlerisch – aber in keiner Weise häretisch oder gar obszön.

Mit großer Fabulierlust, mitreißendem Drive und einem ausgeprägten Sinn für die Leichtigkeit des Seins entrollt Heine J. Dietiker das Panorama einer reichen italienischen Großfamilie, zeichnet den Machtapparat des Vatikans und zeigt letztlich auf, dass Seele und Verstand, Glaube und Charisma, Vertrauen und Liebe Entscheidendes bewirken - nicht Geld und Macht oder gar das Geschlecht. Doch nicht nur die Geschichte, die Dietiker seinen Giovanni di Stefano im Rückgriff erzählen lässt, ist ganz wunderbar. Auch die Geschichte, die sich im Jahre 2085 abspielt ist eine bittersüße Satire, so schön und zart und einfühlsam, dass man nur staunen kann.

PAPANONNA ist eine hinreißende Lektüre, stilistisch einwandfrei – wenn auch mit kleinen schweizerischen Spracheigenheiten, die aber eher charmant wirken als »einen Unterbruch« darstellen – und handwerklich perfekt. Am Ende stellt sich dann zwangsläufig die Frage, was dieser Autor wohl noch so alles in der Schublade liegen hat. Wenn es nur annähernd so gut ist wie PAPANONNA, dann heraus damit!

Wir brauchen noch viel mehr Geschichten, in die man sich verlieben kann!

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Wie das Manuskript aus der Schublade in den Buchladen kommt

Anna Kulp, Interview auf rubikon.ch

Wie findet man als Autor einen Verlag? Und wenn man einen Verlag gefunden hat, wie macht man dann auf sein Werk aufmerksam? Diese und andere Fragen zu seinem Erstling "Papanonna" beantwortet Heine J. Dietiker im Interview.

Sie haben anscheinend mehrere Romanprojekte in der Schublade liegen. Weshalb wurde "Papanonna" für die Veröffentlichung ausgewählt?
Es werden zu viele schlechte Bücher publiziert. Daran wollte ich mich nicht beteiligen. Ich habe immer geschrieben und mir vorgenommen, erst zu veröffentlichen, wenn ich dazu fähig bin, Ernsthaftigkeit und Unterhaltung in einem Werk zusammenzubringen. Bei "Papanonna" ist mir dies gelungen, weil mich die Themen Religion, Liebe, Gerechtigkeit und Tod ebenso heftig gepackt hatten, wie die in meiner Phantasie gewachsene Geschichte und die sich mehr und mehr ein Eigenleben herausnehmenden Figuren.

Vor einigen Jahren erschien schon einmal ein Roman, der sich den Gerüchten widmete, es habe kurze Zeit eine Päpstin gegeben ("Die Päpstin" von Donna Woolfolk Cross). Ausserdem wurde "Die wahre Geschichte der Päpstin Johanna", die im frühen Mittelalter gelebt hat, recherchiert und veröffentlicht. Inwieweit haben Sie diese Bücher inspiriert?
Gar nicht. Die Idee zu "Papanonna" ist mir 1993 während einer Bergwanderung auf den Tanzboden im Toggenburg gekommen. Ich schrieb ein Exposee und legte es zu meinen anderen Entwürfen. Als ich dann 2000 vom Buch "Die Päpstin" hörte, war ich bereits mitten im Schreiben. Ich entschloss mich, den anderen Roman erst mal nicht zu lesen, um davon völlig unbeeinflusst weiterschreiben zu können. Vielleicht lese ich "Die Päpstin" demnächst, meine Tante hat mir das Buch geschenkt.

Um in der Fülle der Erstveröffentlichungen nicht unterzugehen haben Sie Audio-CDs mit den ersten Kapiteln Ihres Buches verschickt. Was hat Sie auf diese Idee gebracht? Waren Sie erfolgreich mit dieser Strategie?
Kein Schwein kennt mich; irgendwas musste ich ja machen, um das zu ändern. Ich glaube, dass die Hör-CD nicht viel gebracht hat, zumindest nicht bis jetzt. Das dauert alles viel länger. Die CD zu produzieren war allerdings sehr spannend. Vor allem die Aufnahmen mit Ingrid van Bergen und Martin Hamburger, die meine Texte gelesen haben. Wenn professionelle Interpreten sich an die Gestaltung eines Textes heranmachen, wird das Potential erkennbar, das vorhanden ist. Ich durfte erleben, dass meine Dialoge funktionieren. Und sogar Pointen, die ich selbst geschrieben hatte, waren plötzlich so lustig, dass ich darüber erneut lachen musste. Und die van Bergen: Ich finde, sie war noch nie so gut wie heute.

Papst-Bücher stehen durch den Papstwechsel hoch im Kurs. Hat sich der Papstwechsel auch in den Verkaufszahlen von "Papanonna" gezeigt?
Es ist viel zu früh, um das zu beurteilen, "Papanonna" ist noch keinen Monat auf dem Markt. Ich denke allerdings, dass weniger der Papstwechsel an sich "Papanonna" nützen wird, als die Auswahl selbst, die getroffen wurde. Benedikt XVI. wird die Sehnsucht der Menschen verstärken. Die Sehnsucht nach einer Kirche, die die Menschen liebevoll annimmt, so wie sie sind. Die sie aber auch darüber hinaus inspiriert zu all den nach oben offen stehenden Entwicklungsmöglichkeiten, zu denen Frauen und Männer fähig sind.

Wie haben Sie einen Verleger für Ihr Buch gefunden?
Über ein Jahr lang kamen alle Manuskripte, die ich diversen Verlagen gesandt hatte, ungelesen zurück. Manche verlangen sogar das Porto in Briefmarken, ansonsten würden sie das Manuskript fortwerfen anstatt es zurück zu schicken. Die Hürden sind am Anfang tatsächlich höher, als ich mir das vorgestellt hatte. Bei Edition 8 haben sie mein Manuskript gelesen. So kam ich zu einem Verlag.

"Papanonna" hat einige editorische Schwachstellen. Vor allem die Leserfreundlichkeit ist zu kurz gekommen. Ihre Erzähltechnik ist voller Schnitte, Wechsel zwischen Orten und Zeiten, diese Wechsel werden graphisch aber überhaupt nicht aufgenommen. Wenigstens eine Leerzeile hätte man sich da als Leser gewünscht, um nicht immer wieder aus dem Lesefluss gerissen zu werden. Und fürs Auge wäre es doch angenehmer und vor allem schöner, wenn die Seiten mit einigen Zeilen weniger gefüllt wären. Woran liegt das?
In meinem Manuskript hatte es immer eine Leerzeile zwischen den Szenen. Diese wurden beim Umbruch alle herausgenommen. Kleine Verlage müssen halt sparen. Aber bei den Sprüngen von mehr als hundert Jahren fängt immer ein neues Kapitel an. Darauf kann man sich immerhin verlassen.

Die Geschichte spielt in Italien, Deutschland, Frankreich und Afrika, ist also absolut nicht typisch-schweizerisch. Weshalb haben Sie und Ihr Verleger sich trotzdem entschieden sprachliche Helvetismen aufzunehmen, die in Deutschland mit Sicherheit für Irritierung sorgen?
Mich stören in einem deutschen Buch kölnische, berlinerische oder bayrische Ausdrücke keineswegs. Wieso sollten sich deutsche Leser umgekehrt an den paar wenigen Helvetismen in "Papanonna" stossen?

Immer wieder kritisieren Sie in "Papanonna" die USA und ein Stück weit auch die Medizin, die Leben unbedingt verlängern will. Inwieweit ist das Ihre persönliche Meinung? Oder hat es einfach nur gut in die Geschichte gepasst?
Diese Passagen verarbeiten wesentliche Aspekte der Grundthemen: Religion, Liebe, Gerechtigkeit und Tod. Die Medizin ist ein extremer Sonderfall einer allgemeinen Tendenz: dass die Wirtschaft nicht jene Produkte hervorbringt, die sinnvoll wären und benötigt würden, sondern jene, für die eine Kaufkraft besteht. Und dahinter wiederum verbirgt sich das, was Sigmund Freud einmal bei seinen amerikanischen Patienten diagnostizierte und als "infantile materialistische Heilserwartung" bezeichnete. Genau diese steht heute tatsächlich besseren gesellschaftlichen und spirituellen Entwicklungen im Wege.

Gegen Ende des Buches hatte ich das Gefühl, Ihrer sonst routinierten Erzähltechnik geht ein wenig die Puste aus. Dadurch entsteht der Eindruck, Sie wollten die Geschichte nun möglichst schnell zu Ende bringen. Kann das sein?
Es ist witzig, dass ich schon mit dem gegenteiligen Vorwurf konfrontiert worden bin, ich hätte das Ende unnötig in die Länge gezogen. Tatsächlich habe ich die Geschichte von der ersten bis zur letzten Zeile im gleichen raschen Rhythmus erzählt. Mit dem Ende lasse ich den Leser dann allerdings allein, ich erkläre nichts. Mich beschlichen bei diesem Ende starke Emotionen und ich hoffe, dass es den meisten Lesern ebenso ergehen wird.

Wie kamen Sie zum Schreiben?
Komponieren und Schreiben waren mir seit dem elften Lebensjahr ein Bedürfnis. Es ist eine gute Methode sich vertieft mit Themen auseinander zu setzen und dabei etwas über die Welt und sich selbst herauszufinden.

Wie vereinbaren Sie das Schreiben mit Ihrem sonstigen Berufsleben?
Wenn ich tief in einem Schreibprojekt stecke, ist es schwierig, dann habe ich kaum einen Gedanken frei für etwas anderes. Aber so intensiv ist es jeweils nur zwei bis drei Monate. Ansonsten gelingt mir die Aufteilung meiner Energien recht gut.

Wie sehen Ihre nächsten schriftstellerischen Projekte aus? Um welche Themen wird es gehen?
Es stehen zwei Projekte im Vordergrund. Eine Geschichte spielt in England um das Jahr 1710, die andere in Oberbayern im Jahr 1936. Wenn "Papanonna" ein Erfolg wird, werde ich die englische Geschichte zuerst schreiben, weil sie an gewisse Themen und Motive anknüpft und sie weiterentwickelt. Ansonsten werde ich das bayrische Motiv heranziehen, weil es in eine völlig andere Richtung geht.

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Das Familiengeheimnis oder wie meine Grossmutter Papst wurde

Claudia Wehrli, netzmagazin.ch

Spätestens seit dem Erfolgsthriller "Sakrileg" steht die Frage um die Rolle, die Frauen in der christlichen Geschichte und Religion spielen und gespielt haben, im Raum und auch das vorliegende Werk befasst sich auf seine ganz eigene Weise mit dieser Frage. Doch wer einen Skandalroman erwartet, liegt falsch. Vielmehr handelt es sich um ein Werk, das die menschliche Natur allgemein hinterfragt, zu Gedanken anregt und doch auch immer wieder zum Schmunzeln oder sogar laut Lachen verführt.

In einem Sanatorium, man könnte auch sagen Spital, für alte Leute begegnet der Leser dem Ich-Erzähler Giovanni di Stefano zum ersten Mal. Er teilt sich sein Zimmer mit dem schwerreichen Unternehmer Bassi, der es Giovanni auch seit geraumer Zeit mit seinem Reichtum ermöglicht, weiterzuleben. Die beiden Patienten sind mit vielen Kabeln und Schläuchen an lebenserhaltenden Maschinen angeschlossen, doch davon abgesehen sind die beiden putzmunter. Bassi ist schon seit längerer Zeit erpicht darauf, endlich di Stefanos Familiengeheimnis zu erfahren und als der Unternehmer Giovanni eine Bluterneuerung spendiert, beginnt dieser tatsächlich zu erzählen. Seine Gedanken schweifen weit in die Vergangenheit ab, die in etwa unserer heutigen Gegenwart entsprechen dürfte. Alles begann damit, dass der Papst stirbt. Giovannis Grossonkel Vico di Stefano ist Kardinal und hat gute Chancen, zum neuen Kirchenoberhaupt gewählt zu werden. Doch unglücklicherweise segnet auch Vico nicht lange nach dem Papst das Zeitliche und so beschliesst die machthungrige Anführerin des di Stefano Clans, Rosa, Vicos Zwillingsschwester Pia als Kardinal auszugeben. Prompt gelingt die Maskerade und Pia wird zu Papst Africanus I., doch ihr Mann Norbert ist von Pias neuer Aufgabe überhaupt nicht begeistert, zumal auch ihm zuerst die Geschichte von Pias Tod aufgetischt wurde wie dem Rest der Welt.

Africanus I. - der Schrecken des Vatikans

Pia als Africanus I. bringt in vielen Bereichen einen frischen Wind in den Vatikan. Nicht nur, dass sie immer einen Rat weiss, Heuchler sofort durchschaut und sich nur von guten Argumenten überzeugen lässt, sie überführt auch den päpstlichen Finanzchef des Betrugs und säubert so gut als möglich den Vatikan von Opportunisten und radikalen Kräften. Als sie den Amerikanischen Aussenminister trifft und dieser eine lange, aber leere Rede über Freiheit hält bringt sie ihn ziemlich in Verlegenheit mit der Frage, ob er sich schon einmal überlegt habe, was Freiheit genau sei. Leere Worte werden in dem Buch genau so angeprangert wie Selbstsucht, Gier und Machthunger. Durch Pias Worte, ihre Taten und auch durch die Reflexionen Giovannis wird der Leser ebenfalls dazu angeregt, sich Gedanken über sein Leben und die gegenwärtige Lage der Welt zu machen, jedoch nicht mit einem anklagenden Fingerzeig, sondern mit einem beinahe liebevollen Anstoss.

Potential zum Klassiker

Der vorliegende Roman hat durchaus Klassikerqualitäten. Der Erzählstil ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, mit jedem neuen Paragraphen wechselt auch der Schauplatz hin und her von Rom nach Köln, dem Gut der di Stefanos, Südfrankreich, Afrika und in die Zukunft. Hat man sich jedoch erst einmal an die Erzählstruktur gewöhnt lernt man sie schätzen. Die Charaktere sind nachvollziehbar und liebevoll gezeichnet, die Wortwahl mutet zum Teil etwas seltsam an, doch sie beeinträchtigt den Erzählfluss nicht. Der Roman bringt den Leser des Öfteren zum Lachen, vor allem Pias gewitzter Umgang mit anderen Leuten ist ein wahres Vergnügen. Ein Buch, das sich ausgezeichnet als Hängematten- oder Zugbuch eignet.

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Ein vergnügliches Märchen

Armgard Dohmel, kultur-magazin.de

Gleich vorab: ein bezauberndes Buch! Nach Art eines modernen Märchens verbessern die Hauptpersonen auf liebenswerte, augenzwinkernde Weise die Welt, gehen gegen Rassismus und verknöcherte Strukturen an. Gleichzeitig ist es eine Persiflage auf italienische Adelsfamilien, die katholische Amtskirche, die Auswüchse unserer modernen Zeit. Und was mir den Autor besonders sympathisch macht: Frauen spielen darin ganz starke Rollen: Sie sind genauso gut wie - und manchmal sogar besser als - Männer!

Zum Inhalt:
Wir finden uns im Jahr 2085 mit zwei uralten Männern in einem italienischen Luxus-Pflegeheim wieder. Giovanni di Stefano und sein superreicher Zimmergenosse Herr Bassi sind an unermesslich teure "Überlebensmaschinen" angeschlossen, die im Falle der Zahlungsunfähigkeit abgestellt werden. Bassi zahlt bisher für di Stefano mit - aber wie lange noch? Er gibt ihm zu verstehen, dass er für sein Geld erwartet, nun endlich in das bestgehütete Familiengeheimnis der di Stefanos eingeweiht zu werden. So bleibt Giovanni nichts anderes übrig, als die ca. 100 Jahre zurückliegende Geschichte von "Papanonna" - seiner "Papstoma"- zu erzählen, die er als kleiner Junge miterlebte.

Hat man als LeserIn erst einmal die Probleme mit den unheimlich vielen handelnden Personen (sie sind wohlweislich eingangs mit Namen und Funktion aufgeführt) und den ständig wechselnden Handlungsschauplätzen überwunden, macht die Lektüre immer mehr Spaß. Man erfährt, wie nach dem Tod des Papstes der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge, Kardinal Vico di Stefano, bei der Geburtstagsfeier seiner machtgeilen Mutter Rosa an einem Herzinfarkt stirbt. Der Familienclan beschließt nun, seine Zwillingsschwester Pia offiziell "sterben" und unter seinem Namen für das Papstamt kandidieren zu lassen. Der hochgebildeten und mit vielen Talenten ausgestatteten Pia gelingt mit Hilfe der Familie und eingeweihter Mitarbeiter des toten Kardinals diese "Geschlechtsumwandlung". Sie wird zum Papst gewählt und nennt sich Africanus I.

In seiner kurzen Amtszeit bricht Papst Africanus I. mit seinem klugen und behutsamen Vorgehen manch verkrustete Struktur der Amtskirche auf und schafft sich viele Freunde -aber auch Feinde im konservativen Lager. Sein Geheimnis kann auf Dauer nicht verborgen bleiben, und er beschließt, rechtzeitig vor einem Eklat "auszusteigen". Das wird mit Hilfe von Familienangehörigen und Freunden während einer Afrikareise auf geradezu wunderbare Weise bewerkstelligt. Hier hat er seine letzten großen Erfolge, als er sich in den einzelnen afrikanischen Ländern unkonventionell und nachhaltig für das Volk einsetzt und die Massen begeistert.

(...)

Neben dieser Haupthandlung passiert noch jede Menge auf Nebenschauplätzen. Und auch dort lösen die beteiligten Personen ihre Probleme gelassen, klug und mit freundlichem Blick auf ihre Mitmenschen.

Während Giovanni di Stefano diese Geschichte erzählt, wandelt sich der geldgierige und egoistische Herr Bassi nach und nach zu einem Menschenfreund. Als er trotz "Überlebensmaschine" stirbt, hinterlässt er Giovanni fast sein halbes Vermögen. So siegt in der Rahmenhandlung ebenfalls das Gute.

Also (leider) ein Märchen - aber ein sehr vergnügliches, das gute Gefühle hinterlässt.

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Mönch, König, Päpstin

Drei Bücher über komische Heilige und andere merkwürdige Gestalten

Von Hubertus Büker

Hier der Zyniker, Verfasser gotteslästerlicher Satiren, weltläufig, dem Wodka und dem Kokain zugetan, Ehe kaputt, Selbstmordversuch. Dort der unscheinbare Mönch mit Plattfüßen und Segel-ohren, der kaum je das Kloster verlässt, einfühlsam, bescheiden, von Asthma und Krebs heimgesucht. Diese zwei, kaum zu glauben, sind 40 Jahre lang: gute Freunde.

Die wahre Geschichte dieser seltsamen Beziehung erzählt Tony Hendra in "Father Joe" (Herder, 320 Seiten, 19,90 Euro). Als Katholik im stramm protestantischen Südostengland aufgewachsen, lernt Hendra mit 14 den Benediktiner Joseph Warrilow kennen. Der Ordensmann fasziniert ihn derart, dass er selbst ins Kloster eintreten will. Es kommt anders: Hendra macht in den USA große Karriere als Humorist, Kolumnist, Buchautor. Am Glauben und am Sinn des Lebens indes zweifelt und verzweifelt er. Mit Mitte 50 findet der linke Intellektuelle zur Religion zurück, will erneut Mönch werden. Father Joe jedoch, zu dem Hendra stets Kontakt hält, führt ihn schließlich zu seiner eigentlichen Bestimmung. Das brillant geschriebene, anspruchsvolle Werk ist sowohl eine ungeschönte Selbstbiografie als auch das bewegende Porträt eines unaufdringlichen und geduldigen geistlichen Mentors. Lesenswert.

Das unrühmliche Ende eines Draufgängers

Ebenfalls Kabarettist und Autor ist Fabian Vogt. Der Frankfurter Musiker und evangelische Pfarrer legt mit "Bube, Dame, König" (Brendow, 304 Seiten, 16,90 Euro) einen Roman über den westfälischen Baron Theodor von Neuhoff vor, der 1736 zum König von Korsika gekrönt wird.

Vogts Roman spielt 20 Jahre später in London. Im Haus einer Tapetenmalerin hat der sterbende Baron Zuflucht gefunden. Der einstige Abenteurer und Draufgänger diktiert der Frau seine Lebensgeschichte, die von seiner Spielernatur und seinem unbändigen Freiheitsdrang zeugt. Das Ende ist unrühmlich; der zerlumpte Greis kann froh sein, nicht in irgendeiner Gosse verenden zu müssen – er selbst freilich zieht eine andere, ganz eigenwillige Bilanz seines Daseins ...

"Bube, Dame, König" ist der erste Titel einer Reihe, die "auf spannend-unterhaltsame Weise" zur "Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben ermutigen" will, so der Verlag. Keine Frage, spannend und unterhaltsam ist das Buch. Mit einem historischen Roman den Glaubensnerv des modernen Menschen treffen zu wollen, ist allerdings gewagt. Diesem gelingt es eher weniger.

Eine Zwillingsschwester zieht ins Konklave

Zeitnäher ist da der Schweizer Heine J. Dietiker. Die Rahmenhandlung von "Papanonna" (edition 8, 304 Seiten, 22,80 Euro) verlegt er gar ins Jahr 2085 und in ein Pflegeheim. Einer der Insassen erzählt eine über 100 Jahre alte Geschichte: Wie Pia, Zwillingsschwester des Kardinals Vico di Stefano, nach dessen Tod in die Rolle ihres Bruders schlüpft, ins Konklave zieht und zum Papst gewählt wird. Als Africanus I. regiert Pia nur für wenige Wochen; die kurze Zeit reicht der warmherzigen und weisen Frau jedoch, die Kirche auf einen menschenfreundlicheren Kurs zu bringen.

An diesem Buch ist einiges zu bemängeln: das leseunfreundliche Layout, die nicht durchgehaltene Erzählperspektive, einige Ungenauigkeiten und Vergröberungen. Geschenkt. Für einen Unterhaltungsroman ist das Buch ungewöhnlich anregend und stellt Glaube und Kirche insgesamt respektvoll dar. Und Dietikers Päpstin überzeugt durch vorbildliche Amtsführung. Alle Achtung.